Fat Freddys Drop zieht es auf die Bretter, die die Welt bedeuten. Und weil sie sich dort so wohl fühlen, kann man ihren 2008er Auftritt im Londoner Roundhouse nun auch im heimischen Wohnzimmer miterleben. In dieser Form dürfte es schwer sein, den Status als ewiger Geheimtipp aufrecht zu erhalten. Diese Jungs hier gehören ins Rampenlicht geschubst. Im Live-Kontext wird deutlich, was das Faszinierende an dieser Band ist. Es ist der improvisierte Moment, dem sie auf ihren regulären Alben ebenfalls viel Spielraum einräumen. Der Hörer soll sich die Zeit nehmen, sich auf den Sound der Jungs einzustellen und dann mit zunehmender Dauer in dubbigen Jazz- und Reggae-Welten versinken. „Live At Roundhouse“, dessen sechs Tracks nicht ein einziges Mal die zehn Minuten-Grenze unterschreiten, zeigt eine Band auf dem Höhepunkt ihres Schaffens. Dieses Album strotzt nur so vor zauberhaften Momenten. Hoffen wir, dass ihre Inspirationsquellen auch auf dem nächsten, regulären Werk nicht versiegen.
John King macht derweil keine Gefangenen und lässt es in seinem Roman „The Football Factory“ vom ersten Moment an krachen. Die Geschichte von Tom, einen Chelsea-Hooligan mit Affinität zu alkoholischen und bewusstseinserweiternden Substanzen, ist wie geschaffen, um als passendes Ergänzungswerk zu fungieren, wenn der Ball seit dem Wochenende wieder zu rollen beginnt. Die Bundesliga-Saison ist eröffnet, doch Vorsicht: hier geht’s nicht um ein zum Event aufgebauschtes Spektakel, wie es auf den Fanmeilen passend zur EM zelebriert wurde, hier geht es um Liebe. Fortwährend entspinnt sich hinter der Fassade aus Beleidigungen, die King zum Besten gibt, eine mitreißende Story über Menschen der Arbeiterklasse. Die Jungs müssen sich durchbeißen und durchschlagen – in jedweder Hinsicht. Dabei erzählt der Autor seine Geschichte so rasant, dass man sich schon nach wenigen Minuten wie im Rausch befindet. Dass man sich als Leser so unmittelbar ins Geschehen hinzuversetzt fühlt, liegt wahrscheinlich auch daran, dass King hier seine eigenen Erfahrungen aus seiner Zeit als Hooligan präsentiert. Kein Wunder, dass der Roman heftige Kontroversen auslöste, als er vor dreizehn Jahren in England erschien. Ein insgesamt mitreißendes Werk, das einen unverschleierten Blick auf eine Szene wirft, die vielen Fußballanhängern und Zuschauern bis heute ein Rätsel ist. Wer Klarheit sucht, sollte zugreifen.
The Books veröffentlichen derweil in diesen Tagen nach einer schier endlosen Wartezeit ihr viertes Album und arbeiten sich an charmante Soundexperimenten ab – experimentelle, fast schon ambient-mäßige Stücke werden eingeflochten, um ein stimmungsvolles Gesamtbild zu generieren. Diese Band möchte nach vorne, wo immer das auch ist. Sie sucht „The Way Out“ Of The Spielplatz der konventionellen Popmusik. Dabei wird zerhackstückelt, was das Zeug hält. Das ist bisweilen zwar nervtötend, wenn ein brüchiges Effektgewitter auf den Hörer einprasselt, nachfolgend entstehen aber auch immer wieder atmosphärische Momente. Musik für Menschen, die auf Mixtapes gerne mal Simon & Garfunkel mit Autechre kontern.
Jörg Harlan Rohleder wiederum erzählt in seinem Roman „Lokalhelden“ die Geschichte all jener, die in den 90ern auf dem Speicher heimlich gesoffen und gekifft haben und sich dazu genüsslich die selbst zerstörerischen Zeilen von Nirvana rein gezogen haben. Die Protagonisten mit so illustren Namen von Enni, Brownsen, Wolle und Schmall stolpern auf den eigenen Niedergang zu, als suchten sie händeringend nach einem Elixier, das ihr Körper davon abhält, erwachsen zu werden. Doch was bedeutet das eigentlich? Erwachsen zu werden. Plötzlich keine Kappe mehr tragen? Wir müssen feststellen. Es ist gar nicht so einfach raus zu finden. Also stolpern wir mit den liebenswerten Lokalhelden durch den Alltag, treffen Schlägertypen, plaudern mit Rauschgifthändlern, lassen uns Lausbubengeschichten aus dem Schulalltag erzählen und quatschen hin und wieder über Kurts Ableben. Das klingt dann ungefähr so: „Wolle schlägt vor eine Punkband zu gründen und uns RAF zu nennen: Seit dem Anschlag der Roten Armee Fraktion auf die JVA Weiterstadt im März liest er alles über die RAF. Ich frage Wolle, wie er eigentlich auf die Idee komme, er kann ja nicht mal drei Akkorde auf der Gitarre spielen. Seine Antwort: „Ich bin musikalisch, ich besitze mehr als hundert Platten.“ (…) Die Sommerferien gehen mir langsam auf die Nerven…“ womit wir auch schon wieder beim Thema wären. Alles in allem die perfekte Lektüre, um sich am Baggersee breit zu machen, guter 90er Jahre Gitarrenmusik einzulegen und die Sommersonne zu genießen. Die Ferien wollen schließlich gefeiert werden. Und wenn die Mädels und Jungs von früher schon am Schuften sind, dann lebt sich´s mit fremden Erinnerungen auch nicht so schlecht. Wir sind doch alle Lokalhelden irgendwie – oder etwa nicht?!
Der Streifen „“ wird derweil nicht nur von den sympathischen Chill-Legenden der Thievery Corporation untermalt, sondern wurde auch noch von Eric Hilton, der einen Hälfte des Duos in Szene gesetzt. Schön zu sehen, dass neben dem Soundtrack mit renommierten Gastauftritten von Bad Brains und Konsorten auch gleich der Streifen dem Silberling beiliegt. Storytechnisch dreht sich da alles um einen gewissen Sebastian James, der sich als Kurierfahrer durchschlägt und nebenbei noch als DJ jobbt. Nebenher verstrickt sich der Protagonist dann in einen Machtkampf mit einem Öl-Multi. Alles in allem sehr nett anzusehen und noch netter anzuhören. Im Doppelpack auf jeden Fall uneingeschränkt empfehlenswert.
Mopz Wanted führen dem Hörer auf „Begleiterscheinungen“ mal wieder vor Augen, dass man deutschen HipHop auch mit Anspruch präsentieren kann, ohne dass das Ganze schon wieder hoffnungslos retro anmutet. Die Jungs schreiben „Punchlines“, die allerdings bewegen sich konsequent oberhalb „der Gürtellinie“ und so muss man sich nicht fremd schämen, wenn man jenseits der 20 mal wieder eine deutsche HipHop-Scheibe auflegen möchte. Hier wurde viel Wert auf Details gelegt, im Gegensatz zum großen Hoffnungsträger Summsemann geht’s dabei allerdings etwas melancholischer zu. Hin und wieder scheint in diesem Zusammenhang der Einfluss von Bands, wie „Die Firma“ (Frühphase) und „Doppelkopf“ durchzuschimmern, soll heißen: der Soul und die Melodien stehen im Vordergrund. Gerade deshalb möchte man sich zu dieser Scheibe hier aufs nächste Sofa flaggen und den Geschichten lauschen, die uns Mopz Wanted vor den Latz knallen. Deutscher HipHop. So kann es weitergehen.
Wer sich zuletzt an dem bewegenden Dokumentar-Streifen über die Band „Anvil – Die Geschichte einer Freundschaft“ erfreute, der kann ergänzend dazu noch mal nachlesen, wie es eigentlich losging mit den Jungs. Alles, was der Film nur in Nuancen andeutet, wird in dem gleichnamigen Roman von den beiden Protagonisten Robb und Lips noch mal im Gesamtzusammenhang erläutert. Schade, dass dabei keine Außenstehenden zu Wort kommen (Ausnahme: Slash, der das gelungene Vorwort beisteuert und dort seine Liebe zu den Metallern bekundet), dadurch hätte man vielleicht am Ende ein vollständigeres, weniger subjektives Bild von der Band zeichnen können. Unabhängig davon ist diese Achterbahnfahrt der Gefühle aber dennoch nett durchzuschmökern, auch wenn das Buch es leider nicht immer schafft, die magischen Momente, die der Film uns liefert in Textform zu gießen. Dennoch sei jedem, der den Jungs etwas abgewinnen kann (und das sollte nach Sichtung des Films so ziemlich jeder sein, selbst diejenigen, die der Musik von Anvil überhaupt nichts abgewinnen können), all jenen sei diese Biografie von Robb Reiner ans Herz gelegt, denn darum geht’s ja am Ende: Herzblut. Anvil haben mehr als genug davon. Und deshalb sei der Band der späte Erfolg auch von ganzem Herzen gegönnt.
Simon Lynge macht auf seinem neuen Album den Eindruck, als wollte er Simon & Garfunkel mit Jack Johnson vermählen. „The Future“ ist ein gefundenes Fressen für Fans von Lagerfeuerromantik. Soviel zuckersüßen Pop sollte man allerdings mit Vorsicht genießen. Bei Überdosis folgt der Zuckerschock. Und damit erstmal Schluss für heute. Wir lesen uns beim nächsten Zuckerbeat.
UND WAS NUN?