Wir sind Helden beschenken uns nach langer Wartezeit mal wieder mit einem neuen Album und machen sich auf, jegliche Konventionen über Bord zu werfen. Schon allein die Entscheidung einen Track, wie „Alles“ als erste Single auszuwählen, zeigt, dieser Band geht es sicher nicht darum, Kompromisse einzugehen. Schon auf dem Vorgänger hatte man so ein bisschen das Gefühl, da möchte sich jemand nach dem großen Wurf wieder gesund schrumpfen, um sich vor einer treuen Fangemeinde zu etablieren. Das Formatprogramm von MTViva umschifft die Band mit ihrem neuen Album mal wieder meilenweit. Stattdessen erfreuen sie uns auf „Bring mich nach Hause“ an Akkordeon-Momenten, Percussion-Eskapaden und Banjo-Anleihen. Sogar ein astreiner Hit, wie „Flucht in Ketten“, den sie früher vielleicht zu einer NDW-Hymne aufgeblasen hätten, wird so schräg dekontextualisiert, dass man alle Denkmäler einreißen möchte, die ihnen zu Ehren bereits errichtet wurden. Totgesagte leben eben doch länger. Und das nicht nur, um hier die Klischeekeule schwingen zu können. Wir sind Helden haben sich von einer Popband zu einer Pop-Größe gemausert. Das ist Musik für all jene, die die Schnauze voll haben vom flüchtigen Klangsalat auf den einschlägigen Videoportalen. Wo Kettcar das Album „Sylt“ ganz bewusst zermischt und Wiebuschs Stimme in den Hintergrund gedrängt haben, verweigern sich Wir Sind Helden mit diesem Album vollkommen gängigen Konventionen und machen Popmusik, wie soll man sagen…. Sie machen Popmusik mit diesem Album wieder interessant! Zu „23.55: Alles auf Anfang“ dürfte sogar eine Balkan-Pop-Meute im Takt springen. Deshalb: Danke Wird sind Helden, für euren Mut zum Risiko. (Am 25.10. spielen Wir sind Helden in der Heinrich Lades Halle in Erlangen, Um 20 Uhr geht’s los.)
Die Elektrogöttin der Herzen, called Robyn, bastelt derweil weiter an ihrer EP-Trilogie und überraschender Weise übertrifft sie den gelungenen ersten Teil nun mit „Body Talk Pt. 2“ noch ein wenig. Wenn man Hits, wie „Hang With Me“ oder „Love Kills“ in der Hinterhand hat, müsste man eigentlich schon längst die großen Stadien der Welt ausverkaufen. Andererseits wäre es schade, sie zukünftig nicht mehr im intimen Rahmen eines kleinen Clubs erleben zu dürfen. Spätestens, wenn der Brecher „Criminal Intent“ die Boxen flutet, werden dort auch alle Peaches und Uffie-Fans im Takt wippen. Ach so, Snoop Dogg ist übrigens auch wieder am Start. Passt ja, nach seinem gelungenen Einstieg ins Elektro-Pop-Geschäft zusammen mit Katy Perry. Hier geht’s allerdings etwas tiefsinniger zu, weil Robyn schlau genug ist, Snoops Zuckerwatte-Phantasien mit schlagfertigen Ansagen charmant ad absurdum zuführen, statt ihm, wie Perry, nur nach dem Mund zu reden und Schlagsahne vor den Latz zu knallen.
„Ein brutales und mutiges Buch“ nennt derweil „Die Zeit“ das neue Werk aus der Feder von Janne Teller, die mit ihrem Buch „Nichts – Was im Leben wichtig ist“ nun auch hierzulande für Furore sorgen dürfte. Die gebürtige Kopenhagenerin hat für ihren Jugendroman, der nicht nur für junge Menschen interessant ist, den dänischen Kinderbuchpreis bekommen und es ist schon bemerkenswert, mit welcher Hartnäckigkeit sie die Frage verfolgt, was denn auf dieser Welt überhaupt noch von Bedeutung sei. Die Geschichte um einen nihilistischen Schüler namens Pierre, der seine Klassenkameraden mit dem Satz konfrontiert, dass für ihn nichts von Bedeutung sei, worauf Selbige ihm das Gegenteil beweisen möchten, indem sie in einem alten Sägewerk Dinge zusammentragen, die für sie persönlich einen Wert haben, liest sich in einem Zug durch. Die Situation eskaliert, nachdem sich ein Schüler den Finger abschneidet, weil er einen Wert im Zusammenhang mit dem Gitarrenspielen darstellt und steuert auf ein (…) Finale zu. Ich möchte in diesem Zusammenhang noch nicht zu viel über den Ausgang des Buches verraten. Wichtig ist: die Geschichte berührt, macht nachdenklich, stellt die immer wieder aufflackernde Frage im Leben eines jeden Menschen. „Wozu das Ganze?“ Wer nach Antworten sucht, wird in diesem Buch keine Finden. Er findet „nichts“, aber dieses „nichts“ dürfte ihn zum Nachdenken bringen.
Aus dem Hause „Rough Trade Shops“, das uns jedes Jahr mit seiner „Counter Culture“-Reihe einen imposanten Rundumschlag in Sachen Indie-Pop um die Ohren haut, kommt mal wieder Nachschub in Form eines Spezial-Samplers zum Thema „Psych Folk 10“. 21 Songs von Jack Rose („Moon In The Gutter“) über Pete Greenwood („The 88“) bis Sleepy Sun („Rigamaroo“) sind hier versammelt und die Angst, die ganze Folkelei könnte schon nach drei Songs zu Gähnattacken führen, ist vollends unbegründet. Stattdessen punkten viele Stücke mit verschrobenen Ideen und mysteriösen Soundgebilden. Der ursprüngliche Folk-Ansatz bleibt zwar in seinen Grundzügen erhalten, man kann die Songs einerseits am Lagerfeuer nachspielen, sich aber zu den verhallten Echos aus dem Hause Kevin Barker und Konsorten auch ganz hervorragend ins vernebelte Hinterzimmer des örtlichen Indie-Clubs verziehen.
Mogwai beschenken uns derweil mit einer regelrechten Offenbarung an Sci-Fi-Klängen, die anmutet als wollte die Band ein Update von „Blade Runner“ inszenieren. Drei Nächte in Brooklyn wurden verfilmt und tontechnisch festgesetzt, um als schickes Gesamtpaket namens „Special Moves / Burning“ die Menschheit mit sphärischen Klängen zu umschmeicheln. Unter der Regie von Vincent Moon und Nathanaël Le Scouarnec entfaltet sich auf der „Burning“-Seite ein Sammelsurium an sphärischen Eindrücken, die allesamt in grobkörnigen Pixel-Bildern auf den Zuschauer abgefeuert werden. Man kommt sich vor als durchschreite man eine tränenverhangene Szenerie der Marke „The Crow“ und lässt sich von den exquisiten Tracks der „Special Moves“-Seite in ferne Welten entführen. Wer bisher noch nichts von dieser renommierten, schottischen Kapelle besitzt, der sollte mit diesem Live-Werk den Einstieg in den Mogwai-Kosmos wagen. Jeder, der etwas für ausufernde, schwerelose Klänge mit anschmiegsamen Pianopassagen übrig hat, dürfte vollends begeistert sein.
Und ja gut, es ist am Ende irgendwie nur konsequent, dass die neue Scheibe von Philipp Poisel auf Grönemeyers Label „Grönland“ erscheint, denn schon der Opener „Wie soll ein Mensch das ertragen“ geht schon mal als echter Herbie-Hit durch. Überhaupt zeigt sich der Nachwuchsliedermacher auf seinem zweiten Album „Bis nach Toulouse“ gereift. Würde es Clueso nicht schon geben, könnte man durchaus von der größten Nachwuchshoffnung hierzulande in Sachen Breitwandpop sprechen. Alles in allem nervt am Ende zwar der dauerhafte Hang zur Schwermut ein bisschen, die Songs allerdings sind so spannend arrangiert, dass man als Fan deutschsprachiger Liedermacher-Mucke zur zu gerne darüber hinweg sieht. Erdmöbel-Fans sollten unbedingt zugreifen.
Während der Erstling aus dem Hause Street Sweeper Social Club schon anmutete, als wollte Tom Morello mit seinem Nebenprojekt (zusammen mit Boots Riley) die alten Zeiten von Rage Against The Machine wieder aufleben lassen, machen die Zwei nun genau dort weiter und knallen uns auf ihrer EP „SSSC“ ein Sammelsurium an klassischen Crossover-Brettern vor den Latz. Wären wir jetzt noch in den 90ern würden ihnen die Kids dafür zu Füßen liegen. Trotzdem muss man anmerken, dass man hier ein imposantes Mini-Album geschaffen hat, das gerade seiner kurzen Spielzeit wegen immer wieder dazu anregt, auf die Repeat-Taste zu drücken. Auf den großen Festivals, wo auch Korn und Konsorten die Headliner-Positionen einnehmen wird man ihnen für diesen Sound hier um den Hals fallen. Ansonsten kann man zu „SSSC“ aber auch sehr gut „nostalgieren“.
Die Scanners verkneten auf ihrem neuen Album die zärtliche Pop-Melancholie der New-Wave-Ära mit ambitionierten Soundexperimenten. „Submarine“ klingt dann auch ein bisschen, als würden hier Sonic Youth bei einem Metric-Konzert auf die Yeah Yeah Yeahs treffen. Kein Wunder, dass der britische NME gleich Lobeshymnen auf die Band zu singen begann. Für Fans von Blondie ist dieses Album ein gefundenes Fressen der Glückseligkeit. Umso besser, dass die Scheibe Dank „Unter Schafen Records“ nun auch hierzulande erhältlich ist. Wer auf klebrigen Pop & Wave steht, sollte unbedingt mal reinhören. Und damit Schluss für heute. Bis zum nächsten Zuckerbeat.
UND WAS NUN?