Endlich ist es so weit. Das neue Album von Underworld ist draußen. „Barking“ ist mit zahlreichen Produktionen aus dem Hause High Contrast und Paul Van Dyk versehen. All das deutet auf eine elektronische Großtat hin. Die Scheibe steht dem letzten Album der Chemical Brothers in nichts nach. Es braucht zwar einige Anläufe, bis man sich in der Musik zurecht findet, dann aber fühlt man sich zunehmend in einem Rausch versetzt, wenn der betörende Beat des Openers „Bird“ einsetzt oder das nachfolgende „Always Loved A Film“ mit Ping Pong-Bällen um sich schmeißt und anschließend in einen astreinen Pop-Song mündet. Underworld befinden sich mit „Barking“ auf dem Höhepunkt ihres Schaffens. Genauso muss elektronische Musik klingen, die auf großen Bühnen funktionieren soll. Einfach mal in den Track „Scribble“ reinhören, der gekonnt vor Augen führt, wie man das Großkotzige aus einem echten Party-Track ausklammert. Wer nach „Surrender“ von den Chemical Brothers aus dem Elektro-Kosmos ausgestiegen ist, hat mit „Barking“ jetzt wieder die Möglichkeit auf den Elektro-(Pop)-Zug aufzuspringen.
Im wirklich schicken Story-Band „My Way Into Rock´n´Roll” erzählen 34 Musiker derweil über den eigenen Gänsemarsch ins Showgeschäft. Mirjam Kolb & Manuel Schreiner, die uns schon mit mehreren Indie-Travel-Guides durch die schönsten Ecken von Berlin, London und Sonstnochwo geführt haben, entlocken Mitgliedern von Bands, wie Art Brut, Oasis, den Ramones oder den Raveonettes das Geheimnis ihres Erfolgs. Dazu sind natürlich auch zahlreiche Acts aus hiesigen Gefilden versammelt. Vor allem die Gespräche mit Kettcar und Tomte geraten äußerst lesenswert. Witzig wird das Ganze, wenn Mikey Breyer von Art Brut gleich zu Beginn erzählt, dass ihn die Blockflöte die Tür zum Rockstardasein aufgestoßen hat. Alles in allem ist dieser Interview-Allmanach wie geschaffen für Menschen, die gerne hinter die Kulissen schauen. Bisweilen ist es zwar etwas öde, wenn jeder zweite erzählt, dass er früher so gerne auf dem Klavier klimperte. Alles in allem versteckt sich aber auch ein reicher Schatz an Insider-Informationen in diesem schick aufgemachten Werk, mit denen man beim Fachsimpeln auf der nächsten Indie-Party ordentlich punkten kann.
Das Tokyo Ska Paradise Orchestra aus Japan ist derweil schon seit 1988 aktiv und diese Erfahrung merkt man der Band an, wenn man das aktuelle Album „Paradise Blue“ in die Player-Buchse steckt. Hierzulande ist das Orchester noch relativ unbekannt, das dürfte sich aber schnell ändern, wenn die Jungs im September durch Europa touren. Alle Fans von The Cat Empire und Konsorten werden um Zugaben bitten und zwar auf Knien. Und weil das Gesamtwerk der Band hierzulande noch weitestgehend unbekannt ist, wird dem Ganzen noch eine Bonus-CD mit Tracks der vergangenen Jahre beigelegt (die mir leider nicht vorliegt). Anhand des neuen Materials lässt sich aber dennoch zweifelsfrei behaupten: das Zugreifen lohnt sich.
Diego haben uns derweil schon auf dem Umsonst und Draussen Festival 2009 mit illustrem Sound der Joy Division-schen Sorte beglückt. Nun haben sie noch mehr Schwermut gesammelt und ein neues Album namens „Gold“ veröffentlicht, das ebenso schnörkellos rüber kommt, wie die Grafik auf dem Frontcover. Wer auf melancholisch angehauchten Wave-Pop mit Indie-Einschlag steht und sich an hymnischen Pop-Songs der Marke Editors nicht satt hören kann, der sollte sich das Werk unbedingt ins Regal stellen. Mehr Tränendrüse wird er diesen Herbst wohl nicht mehr vor den Latz geknallt bekommen. Live zu sehen gibt’s die Band übrigens auch. Am 11. Dezember spielen sie im Jugendkulturhaus Cairo in Würzburg.
Die Plants And Animals machen sich auf ihrem neuen Album auf in Richtung „La La Land“ und haben wohl die poppigste Platte ihres bisherigen Daseins am Start. Schon der Opener „The Cruz“ lässt in Sachen catchyness kaum Wünsche offen und sorgt so dafür, dass Fans von Fleet Foxes und Grizzly Bear gleichermaßen auf diese Scheibe hier abfahren dürften. Nach dem gelungenen Vorgänger kann man nun auch als Blitzen Trapper-Anhänger ohne zu zögern zugreifen. Dafür wird man von dem Montrealer Kollektiv mit einer ganzen Reihe Hymnen belohnt, die man nachts um drei in einem einsamen Waldstück auf der akustischen Klampfe nachrocken möchte.
Zwei illustre Compilations aus dem Hause „!K7“ versüßen uns derweil das Ende der Sommerzeit. „F*>k Dance Let´s Art – Sounds From A New American Underground“ versammelt, wie der Name schon sagt, amerikanische Nischen-Sounds aus elektronischen Gefilden, die allesamt sehr avantgardistisch anmuten. Hier trifft Lo-Fi-Pop auf Disco-Folk und brachiales Psycho-Gebretter der Marke Crystal Castles auf kunterbunte Synthesizer-Phantasien. Weil noch dazu immer wieder renommierte Acts, wie bereits erwähnte Crystal Castles im Duett mit Health, Washed Out, Memory Tapes und Animal Collective untergeschoben werden, lässt man die Scheibe immer wieder Extra-Durchläufe in der heimischen Stereo-Anlage absolvieren und hat das Gefühl, hier gerade direkt am Puls der Zeit zu fühlen. Wer sich ein imposantes Sammelsurium aus zeitgemäßen Elektro-Entwürfen nach Hause holen möchte, sollte sich das Teil auf keinen Fall entgehen lassen und hinterher gleich noch die aktuelle Zusammenstellung aus dem Hause Friendly Fires in die Cd-Buchse boxen. Ed Macfarlane und Konsorten bewegen sich auf „BUGGEDOut! Presents Suck My Deck“ im Grenzgebiet von Rock und Elektro. Es wird viel Wert auf Tanzbarkeit gelegt, trotz allem mutet der Mix bisweilen melancholisch an. The Phenomenal Handclap Band trifft auf Bot´Ox und Munk auf Tensnake. All das wurde so charmant, bisweilen unbedarft verwoben, dass es einfach nur Spaß macht, den Jungs hinter den Reglern auf die Finger zu schauen.
Wer mal wieder ein paar krude Covers um die Ohren gehauen bekommen möchte, könnte bei The Jolly Boys Featuring Albert Minott an der richtigen Adresse sein. Was der jamaikanische Verein auf seinem Album „Great Expectations“ für Versionen von Iggy Pops „Passenger“ oder Lou Reeds „Perfect Day“ aus dem Ärmel schüttelt, ist aller Ehren wert und klingt, als hätte sich der Buena Vista Social Club zusammen mit Ennio Morricone am Abbauschen von Pop-Klassikern versucht. Die zeitgemäße Produktion von Tom Elmhirst tut ihr Nötigstes, damit das ganze möglichst zeitgemäß rüberkommt. Und mit „Riders On The Storm“, „Golden Brown“ und „Blue Monday“ sind auch die passenden Argumente drauf, um in den heimischen Charts nach vorne zu preschen. Womit wir uns dann mal wieder abmelden für heute. Lasst es euch gut gehen. Bis zum nächsten Zuckerbeat.
UND WAS NUN?