Die Gang Of Four sieht sich nach ihrer Reunion im Jahr 2004 der Gefahr ausgesetzt, ihren Status als Ikone des Post Punk / New Wave-Genres zu verspielen. Das Album „Content“ soll nun all jene versöhnen, die mit den Neuaufnahmen des 2005er Comeback-Werks „Return The Gift“ nicht wirklich glücklich gewesen sind. Auf ihrem ersten regulären Album seit der Wiedervereinigung machen sie nicht den Fehler, in nostalgischer Stimmung zu schwelgen. Schon der Opener klingt, als wollten sie Bloc Party in Sachen Experimentierkunst den Rang ablaufen. „Content“ klingt tatsächlich genau so, wie man es von den Jungs schon vor fünf Jahren erwartet hätte. Es klingt frisch und parkt die Karre direkt neben dem hierzulande leider ignorierten „Something For Everybody“ aus dem Hause Devo ein. Fans von Franz Ferdinand dürften ihnen für dieses Werk um den Hals fallen, noch dazu sind die Songs so dynamisch arrangiert, dass sie auch beim fünften Durchlauf noch zum Hüfte-Verrenken einladen. Da hat die Gang also wirklich noch mal die Kurve gekriegt, hätte ich am Ende gar nicht mehr mit gerechnet. Mehr davon, bitte.
Die Crystal Fighters schicken uns derweil auf Reise zum Stern der Liebe und vermengen eine euphorisierende Hippie-Mucke mit elektronischem Firlefanz, so dass auch der letzte LSD-Süchtige im Dreieck hüpft. Allein der Track „Xtatic Truth“ ist ein riesengroßer Zuckerwatteberg an Melodien, so dass man sich schon nach wenigen Sekunden fühlt, als hätte sich Katy Perry plötzlich in die Indie-Disco verirrt. Kurz gesagt: „Star Of Love“ ist ein elektro-esoterischer Klangsalat für Indie-Gourmets. Zuschlagen bitte.
Fans von gehobener Krimi-Literatur sollten sich in dieser winterlichen Zeit mal daran wagen, den breiten Output von Wolf Haas zu erforschen. Sehr zu empfehlen ist in diesem Zusammenhang seine 98er Abrechnung mit der Formel 1, genannt „Ausgebremst“, die sich, bestückt mit zahlreichen Insider-Informationen zum Rennsport, an einem fiktiven Kriminalfall abarbeitet. Natürlich dreht sich alles um mysteriöse Todesfälle und Verschwörungstheorien. Dennoch ist der Roman nicht unbedingt typisch für Haas, denn es handelt sich nicht um einen seiner hoch gelobten Brenner-Romane, sondern um eine eigenständige Geschichte. Haas´ Roman ist eine locker-flockig getextet Abrechnung mit dem großen Formel 1-Zirkus, der allerorts veranstaltet wird und dessen Triebfeder das Erfolgsdenken ist. Dass er sich dabei ausgerechnet einen inhaftierten Fanartikel-Besitzer als Protagonisten heraus pickt, spricht für sich selbst. Deshalb einfach mal wieder im örtlichen Cafe zurücklehnen, einen Cappuccino bestellen, den Schneeflocken beim fallen zuschauen und sich nebenher durch die 173 Seiten schmökern. Kann es was Schöneres geben?
Francesco Wilking dürften derweil viele bereits als Sänger der Popgruppe Tele ins Herz geschlossen haben, nun macht er sich daran sein erstes Soloalbum einzuspielen und begeistert damit nicht nur Judith Holofernes aus dem Hause Wir sind Helden. Seine Country und Bossa Nova-Klänge könnten auch bei so manchem verliebten Pärchen für Aufregung sorgen. Man fühlt sich auf der Stelle auf die Veranda einer einsamen Ranch versetzt, wenn einem der Opener „Sag Sarah“ mit seinen jaulenden Klängen einen Schutzwall zum Verweilen generiert. „Die Zukunft liegt im Schlaf“ drückt musikalisch zwar ziemlich auf die Bremse, macht aber nichts, weil in textlicher Hinsicht sehr charmant die gängigen Klischees umschifft werden. Zeit sich mal wieder aufs Sofa zu flaggen und deutschsprachigen Liedermacher-Pop mit Niveau zu genießen. Nicht nur die Fans der neuen Wir sind Helden-Platte werden begeistert sein.
In Sachen Cold War Kids habe ich in den letzten Jahren etwas den Faden verloren. Nach dem famosen Debüt und dem enttäuschenden Nachfolger, der sich leider darauf beschränkt, nur das große Erbe zu verwalten, hat die Band nun ihr drittes Album am Start und sich dafür drei Jahre Zeit genommen. Man merkt „Mine Is Yours“ an, dass da ziemlich viel Arbeit drin steckt, Songs wie „Skip The Charades“ klingen dementsprechend auch nach Breitwand-Rock der Marke U2. Im Gegensatz zum Vorgänger kriegt die Band diesmal allerdings die Kurve und schiebt experimentelle Versatzstücke dazwischen. So drückt „Sensitive Kid“ zum Beispiel mit einem treibenden Drum-Beat nach vorne und „Bulldozer“ verzaubert mit einer tränenreichen Szenerie. Die Cold War Kids sind mit diesem Album irgendwo zwischen den Polen Bloc Party und Kings Of Leon gelandet. Sie schielen in Richtung Stadion, vergessen aber nicht, den Fans in den kleinen Clubs zuzuzwinkern. Ein äußerst gelungener Befreiungsschlag, der sich gekonnt zwischen die Stühle setzt.
Good Charlotte gehören derweil sicher nicht zu den besten Live-Acts der Pop Punk-Ära, haben sich in den letzten Jahren aber mit hymnischen Singalongs einen Platz im Herzen der Anhänger gesichert. Neben den größten Hits der Marke „I Just Wanna Live“ und „Lifestyles Of The Rich & The Famous“ versammelt ihre erste „Greatest Hits“ auch zahlreiche Perlen aus der Frühphase der Jungs, wobei vor allem „Little Things und „Festival Song“ so hemmungslos aufs Party-Pedal drücken, dass man sich schon nach ein paar Minuten eine Badehose überstreift, um einen Bauch-Platscher in den Schnee zu absolvieren. Wer noch nicht alle Alben der Jungs im Regal stehen hat, bekommt hier den Rundumschlag an Hits in verdichteter Form. Lohnt sich für alle, die die Band noch nicht für sich entdeckt haben.
Beschwingte Pop-Melodien für Fans von psychedelischer Musik sollten sich mal das Album „Buffalo“ von The Phoenix Foundation zu Gemüte führen. Die Scheibe klingt, als hätten sich die Ruby Suns mit den ollen Kings Of Leon verabredet und zusammen eine Session gestartet. Mit „Flock Of Hearts“ ist außerdem ein wunderschöner Lagerfeuer-Effekt-Song drauf, der einen in diesen winterlichen Tagen ganz unverschämt die Herzklappen öffnet. Alles in allem ist „Buffalo“ also nicht nur für Fans von zärtlicher, detail-verliebter Kopfhörermusik geeignet, sondern auch für die „Alternative Moments“-Fraktion interessant.
Bart Davenport befindet sich auf seinem aktuellen Album auf der Suche nach sich selbst und arbeitet sich deshalb an seiner Plattensammlung ab. Auf „Searching For Bart Davenport“ finden sich dementsprechend spärlich Instrumente Liedermacher-Versionen von tollen Songs aus dem Hause Broadcast, Kings Of Convenience und David Byrne. „Searching for…“ ist ein beruhigendes Werk, zu dem man sich am Liebsten unter die Decke verkriechen möchte, um den Rest der Welt einfach mal für eine Stunde aus dem Blickfeld zu knipsen. Womit wir dann auch schon wieder am Ende wären für heute. Lasst es euch gut gehen. Bis zum nächsten Zuckerbeat.
UND WAS NUN?