Huch, haben die Beastie Boys etwa schon wieder ein neues Album draußen? Nicht ganz, aber wenn juckts, wenn The Go! Team am Start ist. Den Opener „T.O.R.N.A.D.O.“ hätten die drei New Yorker auch nicht besser hinbekommen. Schon der zweite Track macht dann aber deutlich, dass sich die fröhliche Bande stilistisch nicht beschränken lassen möchte. Da treffen dann Girlgroup-Hymnen auf Rap-Sprengsel und Hasstiraden. Lärm, Lust und Liebe tanzen Tango auf „Rolling Blackouts“ und machen das Go! Team endgültig zum Glückseligkeits-Verein der popkulturellen Gegenwart. Diese Scheibe hier will gefeiert werden. Wer auf poppige Rundumschläge steht, sollte sich „Rolling Blackouts“ auf keinen Fall entgehen lassen.
Die New Yorker Musikerin Joan As Police Woman hat sich mit den Jahren zu einer echten Indie-Ikone gemausert. Ihr Folk-Pop mit einer Portion Seele strahlt einen entrückten Charme aus, so dass man schon nach wenigen Minuten der dritten Platte verfällt. „The Deep Field“ empfängt einen zwar nicht unbedingt mit offenen Armen, auch wenn das Frontcover dies impliziert, das Album packt einen dafür aber immer wieder am Rockzipfel und wirbelt die Geschmacksnerven durcheinander. Der Opener „Nervous“ klingt als hätte Cat Power ein Psychedelic-Seminar absolviert. Die Musikerin wagt sich bisweilen schon ziemlich weit raus, kriegt aber immer wieder die Kurve in Richtung Romantik-Pop. Joan hat in der Vergangenheit sicher viel PJ Harvey gehört und lässt sich deshalb auch den Spaß am Experimentieren nicht verderben. Alles in allem: ein Liedermacheralbum mit Widerhaken. Wie geschaffen, um den Schneemann vor der Haustür zu grillen.
Um die Simian Mobile Disco ist es in letzter Zeit ziemlich ruhig geworden. Das zweite Werk der Jungs war zwar ein äußerst breit gefächerter Verrecker von einem Disco-Album, der große Hype um Justice und Konsorten war allerdings bereits verflogen, als die Scheibe in den Plattenläden stand. „Delicacies“ versteht sich nach dem experimentierfreudigen Vorgänger als astreines Techno-Album ohne Kompromisse. Das wird sicher einige alte Fans verschrecken, wirkt aber nur konsequent. „Delicacies“ ist ein Befreiungsschlag, die Scheibe erscheint auf dem erst kürzlich gegründeten, gleichnamigen Label der Jungs und versteht sich als Teil einer Party-Reihe namens „Delicatessen“. Im Club knallen die Tracks dermaßen rein, als wollten Sie mit ihren Schall-Wellen die Wände zum wackeln bringen. Ansonsten eignen sich die 17 Stücke (auf zwei Cds versammelt: „Mixed“ und „Unmixed“) auch ganz vorzüglich, um sich Kopfhörer überzustülpen, mit dem Fahrrad eine Runde durch die City zu drehen und die Welt wie im Rausch an sich vorbeiziehen zu lassen. Treibt ganz schön rein, dieser Sound.
Mogwai trauen sich derweil ihrem inzwischen siebten Album einen 26minütigen Bonus-Track namens „Monument for Forgotten Future“ beizulegen, der einen direkt in Richtung Atmosphäre schießt. Schwerelos wie eh und je wandelt „Harcore Will Never Die, But You Will“ zwischen Rockmonument und Flächenbrand hin und her. Das Album schließt direkt dort an, wo die Jungs mit ihrem gefeierten Vorgänger aufgehört haben. Man lässt sich schon nach wenigen Sekunden treiben, wenn der Opener „White Noise“ in verstrahlte Gefilde abdriftet. Zu diesem Sound flutet man am Besten das Wohnzimmer mit einer Nebelmaschine. Genau so klingt zauberhafte Rockmusik.
Boeoes Kaelstigen nennt sich derweil ein größenwahnsinniges Sci-Fi-Duo, das sich kurzerhand ins Jahr 2038 beamt und dort für allerhand Unruhe sorgt. Die Infrastruktur ist am Arsch und die Länder im Norden rotten sich in Schweden zusammen. Soundtracktechnisch ballert uns das Album „Tanum Teleport“ einen post-apokalyptischen Minimal-Trance-Sound um die Ohren, dass man sich schon nach wenigen Sekunden ein neues Soundsystem zulegen möchte. Was hier in Sachen Experimentierfreude an den Start gebracht wird, ist meilenweit entfernt vom elektronischen Allerlei der heutigen Zeit, dürfte aber dennoch alle Fans von Daft Punks „Tron“-Soundtrack fröhlich im Kreis hüpfen lassen.
Kenzari´s Middle Kata knallen uns derweil ein dynamisches Postrock-Werk vor den Latz, für das sich so mancher Kollege sicher den Gitarrenhals verrenken würde. Auf „Body Vs. Function“ finden sich Songs, die in ihren besten Momenten schöne Erinnerungen an die Jungs von At The Drive-In wachrufen, trotz allem lässt man sich von dieser Guido Lucas-Prouktion nur zu gern Honig ums Maul schmieren. Wer auf klassischen Postrock mit Hardcore-Anleihen steht, sollte sich diese dynamische Knüppeltirade auf keinen Fall durch die Lappen gehen lassen.
Kitty Solaris macht den Eindruck, als wollte sie sich als nächste Sophie Hunger empfehlen. Vom soundtechnischen Anspruch her hat sie es faustdick hinter den Ohren, auch wenn ihre Musik zumeist etwas gleichförmig anmutet. Suzanne Vega bis Norah Jones standen für die Songs Pate, wobei das ausdrücklich positiv gemeint ist. Es ist nämlich vor allem die Frische, die „Golden Future Paris“ zu einem echten Vergnügen macht. Wenn alles gut läuft, begegnet sie uns demnächst in den oberen Rängen der Charts, wenn nicht können wir uns immer noch darüber freuen, mal wieder einen echten Geheimtipp von Liedermacherin ganz für uns allein entdeckt zu haben.
Tomzack wagen sich derweil daran, ein Konzeptalbum aufzunehmen und bevor ihr gleich weiterdrückt, lasst doch „Für ihn gab es nirgends ein Grab mit Blumen“ erstmal auf euch wirken. Die Songs sind sorgsam nach Wochentagen gegliedert und gipfeln im finalen „Damonacht“. Was Protagonisten von Can, Genepool und Urlaub in Polen hier zusammentragen, dürfte nicht nur alten Krautrock-Fans die Geschmacksnerven verstopfen, was hier im Grenzgebiet von Noise, Space-Pop und psychedelischen Ansätzen fabriziert wurde, wird auch bei der tanzenden Laufkundschaft für Furore sorgen. Womit wir auch schon wieder am Ende sind für heute. Bis zum nächsten Zuckerbeat.
UND WAS NUN?