The Streets sorgen dafür, dass wir uns für einen Durchlauf in verpixelte Gefilde verabschieden. Die schrägen Atari-Sounds des aktuellen Albums klingen, als hätten die Giana Sisters einen Raubzug durchs Grime-Gebiet gestartet. Mit „Going Through Hell“ hat Skinner dabei wieder einen echten Mega-Hit im Gepäck, dem der Opener „Outside Inside“ oder der beschwingte Frühlings-Popper „Without Thinking“ allerdings in nichts nachstehen. Es ist passiert. Skinner hat nach seinem Konzept-Album und den Liedermacher-Momenten des Vorgängers wieder die Vorhänge aufgerissen, seinen Computer hochgefahren und sich darauf beschränkt, Hits im Drei-Minuten-Takt abzuliefern. Am Ende bleibt da zu hoffen, dass Skinner auch nach „Computer And Blues“ etwas von sich hören lässt. Wenn schon nicht unter dem Banner der Streets, dann wenigstens unter anderer Tarnkappe. Die Streets sollen nämlich nach diesem Album endgültig Geschichte sein.
Die österreichischen Kollegen von Ginga machen sich derweil daran, die hymnischen Momente von Coldplay mit einer Portion Leichtfüßigkeit zu kontern. Im Hintergrund erklingen Streicher, welche die Gehörgänge der Hörerschaft umschmeicheln und „They Should Have Told Us“ zu einem Album machen, das beinahe schwerelos anmutet. Fans von The National oder Arcade Fire dürfen also durchaus auch mal einen Durchlauf riskieren. Obwohl die Scheibe produktionstechnisch ziemlich hochgerüstet wurde, hat man dabei nie das Gefühl, hier einem überambitionierten Konzeptalbum zu lauschen. Scheinbar spielend hauen uns die Mitglieder einen Song nach dem anderen um die Ohren, der so himmelhoch jauchzend arrangiert ist, dass sie bald auch in internationalen Gefilden für Aufsehen sorgen werden. Ein tolles, ziemlich melancholie-versessenes Winteralbum.
„74 Miles Away“ nennt sich derweil eine Kollabo des belgischen Jazz-Pianisten Pierre Anckaert und dem Produzenten-Duo Monkey Robot. Mit freundlicher Unterstützung von der Miss „4 Hero“ called Carina Andersson und der Londoner Sängerin AHU machen sie sich daran, Jazz und HipHop in einen poppigen Kontext zu überführen. Wer auf eintöniges Radiogedudel steht, sollte dabei gleich wieder das Weite suchen. Das hier hat mit Norah Jones ungefähr so viel am Hut, wie Limp Bizkit mit Rapmusik. Am Ende entsteht ein gelungenes Elektro-Jazz-Werk, das man sich am Besten bei einem romantischen Candle-Light-Dinner zu Gemüte führt.
CEO waren im letzten Jahr regelmäßig Gast in den einschlägigen Hype-Gazetten des World Wide Web. Ihr klassisch anmutendes elektronisches Schluchzen auf dem Album „White Magic“ wird gekontert von treibenden Sounds der Marke „Come With Me“. Das Album klingt trotzdem wie aus einem Guss, weil CEO es gekonnt verstehen, Dynamik zu erzeugen. Wer also ein Herz für verdrehten Elektro-Pop mit Indie Einschlag hat, sollte unbedingt mal reinschnuppern. Es lohnt sich.
DJ Vadim präsentiert uns derweil seine neue Super-Crew The Electric und landete damit schon auf der letzten Tour von den hierzulande leider maßlos unterschätzten Fat Freddy´s Drop einen Volltreffer ins Sachen Begeisterungstürmen bei den Zuschauern. „Life Is Moving“ knallt rein, als hätten sich die Black Eyed Peas in ihrer Frühphase einen Elektro-Umhang umgeschlungen. Die Scheibe ist herrlich verspielt und kontert famosen Old School-Rap mit verqueren Elektro-Beats, die schöne Erinnerungen an das letztjährige Download-Manifest von Das Racist wach rufen. Wer auf HipHop mit Attitüde steht, der sich abseits des gleichförmigen Chart-Gedudels bewegt, sollte The Electric unbedingt ins Soundsystem stupsen. „Life Is Moving“ ist ein gefundenes Fressen für Kopfnicker.
Yucca haben sich inzwischen weit über Nürnberg hinaus einen Namen gemacht und setzen auf ihrem zweiten Album zunehmend auf Elektro-Pop der tanzbaren Sorte. Schon der Opener mit dem passenden Titel „Victoria“ versetzt dich in einen Rausch der Emotionen. Fans von The Faint und Konsorten dürften zweifelsohne durchdrehen, wenn die fünf Franken an den Euphorie-Reglern schrauben. Die selbst auferlegte Maxime, doch bitte ein möglichst vielseitiges Werk zu kreieren, sorgt dafür, dass man bis zum Ende bei der Stange bleibt. „Make Up“ ist ein gefundenes Fressen für Chikinki-Anhänger. Wir fordern mehr davon, bitte!
Scams klingen derweil, als würden sie demnächst zum Alternative-Pop-Darling mutieren, der Opener „Youngblood“ klingt nämlich wie die schönste Versuchung seit dem unterbewerteten Zweitling von Panic At The Disco. „Rewrite Fiction“ ist ein Album voller Spannungsmomente und dynamisch arrangierter Pop-Songs, das sich auch mal traut die große Pop-Kanone abzufeuern. Wer auf beschwingten Emo-Pop mit Widerhaken steht, sollte unbedingt mal reinhören. Die Jungs aus England haben es drauf, den Moment des großen Hypes zu überstehen.
Fans der Lemonheads sollten derweil mal einen Durchlauf in Sachen Drive-By Truckers riskieren. Die machen nicht nur zauberhaften Indie-Rock, sie führen auch den Kollegen von The Hold Stady vor Augen, wo deren letztes Album hätte landen können, wenn man nicht eine Spur zu penetrant in Richtung Stadion geschielt hätte. „Go-Go Boots“ ist ein klassischer Indie-Soul-Pop-Record mit vereinzelten Ausflügen in countryeske Gefilde. Damit werden sie nicht zwangsläufig einen Award in Sachen Zeitgeist gewinnen, dafür aber von der Post-Soul Asylum-Fraktion mit offenen Armen empfangen werden. Und damit sind wir auch schon wieder raus für heute. Bis zum nächsten Zuckerbeat.
UND WAS NUN?