Hast du dir heute schon mal die Frage gestellt, wie es eigentlich weitergehen soll, wenn die erste Phase deines Lebens vorbei ist. Was tust du, wenn das Studentendasein sich so langsam dem Ende nähert und darüber hinaus kein Plan existiert, der dir sagt, wie es danach weitergehen soll. Der Protagonist von Markus Kavkas ersten Roman hat ein ähnliches Problem. Der Job als Moderator ist futsch, die Freundin fremdgegangen, die große Party ist zu Ende, also werden kurzerhand die Scherben aufgesammelt, die Koffer gepackt und dann geht’s ab nach Hause. In Georg Herzls Fall geht die Reise nach „Rottenegg“. Einem kleinen Kaff im Herzen Bayerns, ganz in der Nähe von Ingolstadt. Nach seinen drei Textsammlungen „Elektrische Zahnbürste“, „Hamma wieder was gelernt“ und „Mach mir mal ne Nudelsuppe“ hat sich Kavka daran gewagt, einen vollständigen Roman zu stemmen, wobei hier angemerkt sein sollte, dass die vorgeschobene Behauptung, es handele sich im Falle der Hauptfigur nicht um eine real existierende Person durchaus mit einem Augenzwinkern zu genießen ist. Nachdem man sich durch die ersten paar Dialekt-, pardon Dialogfetzen geschmökert hat, entfaltet sich schließlich eine durchaus gelungene Story über das Leben und wie es sich eben so anfühlt, wenn einem plötzlich die alltäglichen Rauschmittel ausgehen. Georg Herzl muss sich seinen Dämonen stellen und sieht sich in „Rotenegg“ mit Erwartungen konfrontiert, über welche der Lärm der Großstadt bisher seinen Schutzwall errichtet hat. Ob sein Trip nach Hause wirklich alle Wunden heilt? Es lohnt sich auf jeden Fall mal rein zu schnuppern. „Rottenegg“ ist ein gefundenes Fressen für alle, die bereits ihre helle Freude an Jörg Harlan Rohleders „Lokalhelden“ oder Nagels „Was kostet die Welt“ hatten.
Wash Echte, liebe Leserinnen und Leser, sie haben es schon geahnt, ist natürlich ein Platzhalter für jemanden der seinen echten Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte. Einem Zugezogenen noch dazu, der nun eine sehr amüsante Anleitung zum Thema „Ich werde ein Berliner“ geschrieben hat. Alle, die schon seit Längerem darüber nachdenken, den Absprung in Richtung Metropole zu wagen, sollten sich vorher diese gelungene Gebrauchsanweisung reinziehen. Da Wash Echte noch dazu ein gebürtiger Engländer ist, gelingt es ihm immer wieder die Luftblase zum Platzen zu bringen, die viele um sich herum kreieren, wenn es darum geht, auf der großen Welle des Zeitgeistes vorne weg zu surfen. Wer auf das frühe Zeug von Nick Hornby steht, sollte unbedingt mal einen Blick in dieses Buch werfen. Mit viel Scharfsinn analysiert der Autor das alltägliche Leben in Deutschlands Hauptstadt und verpackt es in einen dermaßen schmissigen Text, dass man aus dem Schmunzeln gar nicht mehr heraus kommt. Die zahlreichen Illustrationen und Fotos sorgen zudem dafür, dass man passend zum Inhalt gleich noch die passenden Impressionen vor den Latz geknallt bekommt.
Rivka Galchen erzählt derweil eine wirklich interessante Geschichte über die menschliche Psyche und deren Eigenheiten. Ein Psychiater namens Leo hat den Verdacht, seine Frau sei nicht mehr sie selbst. Stattdessen habe eine Doppelgängerin ihren Platz an seiner Seite eingenommen. Er steigert sich zunehmend in diese (Wahn?)Vorstellung rein und beginnt langsam durchzudrehen. Seine Verschwörungstheorien gipfeln darin, dass er sich auf eine Reise nach „Feuerland“ begibt und dabei nicht nur mit Toten plaudert, sondern auch über Quantenmechanik philosophiert. Auch, wenn die Geschichte auf den ersten Blick etwas abstrus anmutet, der Roman „Atmosphärische Störungen“ funktioniert sowohl als packender Thriller, wie auch als tiefsinnige Abhandlung darüber, wie die Liebe uns findet und die Grenzen des eigenen Ichs mit dem des Gegenübers zu verschwimmen scheinen, wobei natürlich immer die Gefahr mitschwingt, dass sich die Liebenden nach einiger Zeit wieder aus den Augen verlieren, bis auf einmal keine Schnittmengen mehr zu erkennen sind. Der Schlüssel liegt hier im Blickwinkel des Betrachters: „Das geliebte Wesen drückt eine mögliche Welt aus, die entziffert werden muss“, schickt Gilles Deleuze vorweg. Nur was passiert, wenn einem das Werkzeug zum Dechiffrieren abhanden gekommen ist. Die kanadische Autorin lädt uns mit ihrem Roman zu einer äußerst spannenden Philosophiestunde Schrägstrich Rätselrunde ein. Was dabei heraus kommt, müsst ihr allerdings selbst herausfinden. Nur so viel sei gesagt: es lohnt sich.
Zadie Smith versammelt in ihrer aktuellen Kurzgeschichtensammlung 21 Geschichten von 21 Schreiberlingen, die sich durchaus sehen lassen können. Ist ja auch ziemlich imposant, wen sie da alles davon überzeugen konnte, seinen Teil beizusteuern: Nick Hornby zum Beispiel erzählt uns aus dem Leben eines gewissen J. Johnson und wird unterstützt von Zeichnerin „Posy Simmonds“, die mit ihren Illustrationen das Leben des Protagonisten in eine Bilderreihe überführt. Jonathan Safran Foer, der ja aufgrund seines aktuellen Romans „Tiere Essen“ ebenfalls in aller Munde ist, lässt sich auch nicht lumpen und erzählt uns die Geschichte von „Rhoda“. Die einzige Vorgabe für die Teilnehmer war, dass es eine fiktive Person sein soll, über die sie schreiben. Wie so oft, sind es dann auch nicht die großen Namen, welche uns die nachhaltigsten Geschichten liefern, positiv überrascht ist man vielmehr von Smiths eigene Geschichte über „Hanwell senior“ oder der Figur „Frank“ von A. L. Kennedy, welcher sich in seiner Kurzgeschichte auch mal traut, das Level an Komplexität und Tiefsinn etwas weiter nach oben zu schrauben. Alles in allem ist „Das Buch der Anderen“ ein imposanter Zeitvertreib und noch dazu ein schöner Sammelband für alle, die sich gerne den Rundumschlag in Sachen zeitgenössischer Literatur verabreichen.
Einen Beitrag zum Thema Partymachen knallt uns gleich hinterher niemand Geringeres als Hans Nieswandt vor den Latz. Der Mannheimer Produzent und DJ nimmt dafür ausnahmsweise mal nicht hinter den Reglern seines Mischpults Platz, er textet einfach drauf los und erzählt von Dingen, die man so erlebt, wenn man Nacht für Nacht im Zeitraffer des Blitzlichts verharrt. Sein Roman „DJ Dionysos“ erzählt uns „Geschichten aus der Discowelt“ und strotzt nur so vor Anekdoten aus dem Partyleben. Das Buch ist glücklicherweise keine wissenschaftliche Abhandlung in Sachen Musikgeschichte, sondern ein echter Roman mit echten Menschen, die sich vollends am Leben und an der Musik berauschen. Inhaltlich erfährt man einerseits viel darüber, wie sich das Handwerkszeug der DJs in den letzten 20 Jahren verändert hat. Man kommt aber andererseits aus dem Grinsen nicht mehr heraus, wenn Nieswandt aus dem Nähkästchen (pardon: Dj-Köfferchen) plaudert und hin und wieder auf Partys auflegen darf, die auf irgendwelchen Kreuzungen mitten im nebligen Nichts stattfinden, was im wahrsten Sinne des Wortes wirklich der reinste Horror gewesen sein dürfte. Ansonsten ist der Roman sehr flüssig getextet. Ab und zu gibt’s ein paar Illustrationen oben drauf, die vielleicht nicht unbedingt nötig gewesen wären, aber für Abwechslung sorgen. Das verleiht der Geschichte am Ende noch mehr Rasanz, so dass man das Buch am Liebsten in einem Zug durchschmökern möchte. Airen-Fans sollten unbedingt mal einen Testlauf riskieren. Und wir ziehen uns erstmal in unsere Leseecke zurück. Bis zur nächsten Runde.
UND WAS NUN?