Krimifreunden möchten wir heute mal eine ganz besondere Comic-Reihe ans Herz legen. Point Blank umreißt das Leben des Ex-Soldaten Cole Cash, dessen Kumpel John nur knapp einem Attentat entrinnt, woraufhin sich Cash entschließt, die Hintermänner und den Killer zu suchen, welche es auf seinen besten Freund abgesehen haben. Im Folgenden muss er sich nicht nur mit einem Geheimbund herumschlagen, sondern auch mit einem gewissen Tao, der den Laden leitet. Um sich damit Machtpositionen in der Politik und beim Spiel mit dem Drogenhandel zu sichern. Was erstmal nach einer klassischen Noir-Geschichte klingt, entwickelt sich zu einem hoch spannenden Thriller, der zahlreiche, überraschende Wendungen für den Leser bereithält. Als Prequel zur ebenfalls gefeierten Comic-Reihe „Sleeper“ konzipiert, wird man sofort vom Sog der Geschichte erfasst, und kann es kaum mehr erwarten, die nachfolgenden Bände in den Händen zu halten. Autor Ed Brubaker und Zeichner Colin Wilson erschaffen ein atmosphärisch dichtes Werk, das gleichzeitig ein gefundenes Fressen für Verschwörungstheoretiker ist. Die zynische Attitüde der Hauptfigur tut ihr Übriges, damit die Story nicht zu einer klassischen Heldengeschichte verkommt. Das grandiose Finale führt dabei nur umso deutlicher vor Augen, wie schwierig es ist, gut und böse heutzutage noch voneinander zu trennen. Alles hat seine Kehrseite und Cole Cash wird sie im Antlitz seines größten Feindes kennen lernen. Verlasst euch drauf.
Der Horror-Reihe Hack/Slash stand ich nach den ersten beiden Bänden noch ziemlich skeptisch gegenüber, mit dem dritten Roman „Freitag der 31.“, der sich inhaltlich an „Chucky – Die Mörderpuppe“ heranwagt, erobert die Geschichte um „Slasher-Slasherin“ Cassie Hack und ihren Partner Vlad doch noch mein Herz. Gerade die Titelgeschichte strotzt nur so vor Anspielungen auf die gefeierte Original-Reihe und schafft es noch dazu, endlich mal die Grenzen zwischen schwarz und weiß zu vermischen. Mit zunehmender Lauflänge muss sich unsere geliebte Cassie nämlich mit Chucky verbünden, um einer noch eiskalteren Meuchelmörderin (im Körpertausch-Modus) den Gar auszumachen. Musikfans kommen derweil ebenfalls auf ihre Kosten, wenn in einer weiteren Geschichte satanistische Rocksongs für das mysteriöse Verschwinden von einer Handvoll Groupies verantwortlich sein sollen. Band 4 schließt dann thematisch genau hier an und erzählt uns die Geschichte von „Blutigen Balladen“. Gerade dadurch, dass mit Emily Stone und Rebekah Isaacs zwei weibliche Zeichnerinnen zur Feder greifen, kommen unterschiedliche Aspekte der Figur Cassie zum Tragen. Natürlich werden sich manche nach wie vor an Stones Hang zum Manga-haften stoßen, einige vielleicht auch darauf hinweisen, dass die großformatigen Motive etwas mehr Details vertragen könnten, dafür werden sie aber mit zahlreichen Seitenhieben auf die Jugendkultur der 80er Jahre belohnt (man beachte nur die He-Man-Referenz gleich zu Beginn). Man erwartet in Sachen Hack/Slash ja auch überhaupt keine ölfarbenen Kunstwerke, man möchte vor allem gut unterhalten werden. Und das werden alle Horror-Fans auch im fünften Band der Reihe („(Re)Animatoren“): das sexy Frontcover gibt die Richtung vor: nur sollte man sich nicht unbedingt sicher sein, dass auch drinsteckt, was drauf steht. Cassie Hack bekommt es nämlich mit einem astreinen Reinkarnationskünstler zu tun, der sich fortwährend neue Körper aussucht, um sie als Tatwaffe für seinen Blutdurst zu missbrauchen. Mal abgesehen von der Geschichte „Selbst/Mord“, wurden alle Illustrationen von Emily Stone konzipiert, was dem Band eine besondere Geschlossenheit verleiht, noch dazu darf man sich über einen Gastauftritt der „Suicide Girls“ freuen. Emo-Fans können also ebenfalls gerne mal einen Blick in das Comic-Werk riskieren.
Fans von „Coraline“ dürften derweil auch an Chauvel & Collettes Comic-Adaption von „Alice Im Wunderland“ ihre helle Freude haben. Die Version von David Chauvel und Xavier Collette besticht durch ihre düstere Atmosphäre und Optik. Grelle Farben werden fast vollständig ausgeklammert, so dass sich jeder Fan der mysteriösen Geschichten von Tim Burton (dessen Alice-Version übrigens auch nicht zu verachten ist – das Ende mal ausgenommen) ins Fäustchen lachen dürfte. Die Geschichte orientiert sich in diesem Zusammenhang ganz eng an der Vorlage Lewis Carrolls. Das heißt: Alice sieht Kaninchen, folgt ihm und schwuppdiwupp kommt sie ins Wunderland gestolpert. Die weich gezeichneten Illustrationen kontrastieren auf gekonnte Art und Weise die harte Realität, aus der unsere liebe Alice zu entfliehen versucht. Schnell muss sie feststellen, dass die einladende Fassade des Wunderlands allerdings ebenfalls zu brökeln beginnt, wenn man nur bereit ist, sich weit genug vor zu wagen. Der Rest ist Geschichte. Hier allerdings in grandioser Form zweit verwertet. Wer schon lange auf eine melancholische Unterwelt-Variante der Geschichte gewartet hat, sollte unbedingt mal reinschnuppern.
Die großformatige Comic-Reihe Universal War One aus dem „Splitter“-Verlag setzt sich derweil mit einer schwarzen Wolke auseinander, die zwischen dem Jupiter und dem Saturn entdeckt worden ist. Ein Team vorbestrafter Mörder und Gauner macht sich auf, da mal ein bisschen im Auftrag der Wissenschaft nachzuforschen. Nach einem fetten Knall zu Beginn nimmt sich der erste Band „Genesis“ sehr viel Zeit, die Atmosphäre auf dem Schiff zu durchleuchten. Die Situation spitzt sich zunehmend zu, als beinahe eine der Passagierinnen vergewaltigt wird. Die gnadenlose Bildsprache macht deutlich, welch nervlicher Anspannung alle Beteiligten hier ausgesetzt sind. Die Enge an Bord wirkt bedrückend. Die Ungewissheit, was einen dort draußen erwartet, führt dazu, dass alles nur noch bedrohlicher wirkt. Gegen Ende des ersten Bandes sind noch sehr viele Fragen offen. Die Story schleicht nur langsam voran, wobei die Entschleunigung von Schöpfer Denis Bajram natürlich dazu führt, dass man nur umso begieriger auf Band Zwei schielt. Da wird dann hoffentlich auch das Geheimnis um die Mauer gelüftet, die hier mit allen Mitteln durchdrungen werden soll. Was die Folge davon sein wird, deutet sich durch den Buchtitel bereits an. Ob sich die Prophezeiung erfüllt? Am Besten selbst herausfinden.
Die Gruppe von Überlebenden aus dem Hause The Walking Dead muss sich derweil die bange Frage stellen, warum es eigentlich noch Sinn machen könnte, gegen das eigene Schicksal anzukämpfen. Im Vorhinein erstmal die Warnung: Wer nicht zu viel erfahren möchte, bitte an dieser Stelle aufhören zu lesen: Für alle anderen… weiter im Text: Rick Grimes hat seine Familie verloren. Als wäre das noch nicht genug, befindet sich die Gruppe nach wie vor auf der Flucht. Als Ziel wird diesmal die Hauptstadt Washington ausgegeben. Man glaubt, dort den Grund für das Ausbrechen der Seuche finden zu können. Währenddessen wird Rick von seinen eigenen Dämonen übermannt. Schlimme Albträume bereiten ihm schlaflose Nächte. Die Hoffnung auf ein Licht am Ende des Tunnels scheint längst verloren. Auch Band 10 („Dämonen“) wirft wieder existenzielle Fragen auf. Wozu noch aufstehen, wenn es da nichts mehr gibt, was einen noch antreiben könnte. Das Buch punktet außerdem mit einem großen Charakter-Guide, der Neueinsteigern einen guten Überblick verschafft, was in den neun Bänden zuvor so alles passiert ist. Noch dazu findet sich darin als kleines Special eine kurze Weihnachtsgeschichte, die zeitlich im ersten Band angesiedelt ist und Lust darauf macht, die Geschichte passend zum Jubiläum noch mal von Beginn an durchzuschmökern. Band 11 (called: „Jäger und Gejagte“) umreist dann weiter den beschwerlichen Gang nach Washington, wobei nicht mehr länger die Zombies als Gefahrenherd Nummer Eins angesehen werden, sondern eine Gruppe von „Jägern“, die sich aufgrund des Mangels an Nahrung daran machen, sich ein Mahl aus Menschenfleisch zu schießen. Autor Kirkman und das Zeichner-Team Adlard und Thuburn erschaffen dadurch ein verstörendes Szenario einer Welt, die sich im Umbruch befindet und in welcher der Kampf um das nackte Überleben alles Weitere in den Hintergrund drängt. Wird sich die Gruppe um Rick ihren letzten Funken Menschlichkeit bewahren können? Wir sind gespannt… und freuen uns jetzt schon auf die weiteren Bände.
Unser herzallerliebster Höllenbewohner macht sich derweil in „Ruf der Finsternis“ (Band 9) einen Spaß daraus, eine verhexte Organisation in Europa aufzumischen. Doch nicht nur das, Hellboy bekommt es noch dazu mit dem gesamten Fabelreich zu tun, das sich mal eben dazu entschlossen hat, gegen die Menschheit aufzubegehren. Für Spannung ist also schon mal gesorgt. Noch dazu vollbringen Mike Mignola und Duncan Fegredo das Kunststück, den Leser auch mit zunehmender Lauflänge der Reihe bei der Stange zu halten. Dass der Band in Farbe erscheint, dürfte sicher bei zahlreichen Lesern für ein flaues Gefühl in der Magengegend gesorgt haben. Kann das gut gehen, verliert die Reihe dadurch nicht an Charme? Die Antwort fällt eindeutig aus. Der Einsatz von leuchtenden Farben sorgt dafür, dass man alles noch eine Spur intensiver wahrnimmt. Gerade in Kontrast zu seiner düsteren Umgebung strahlt Hellboy in seinem leuchtenden Rot noch mehr Erhabenheit aus, als zuvor schon. Seine Entfremdung von allem, was ihm umgibt, wird so noch treffender in Szene gesetzt und findet seine Fortsetzung im zehnten Band („Die wilde Jagd“), in welchem sich Hellboy im Rahmen einer Jagd-Versammlung mit seiner eigenen und der Geschichte von König Artus konfrontiert sieht. Wie Mignola & Fegredo hier die alte Sagenwelt mit dem Leben Hellboys verknüpfen, was darin gipfelt, dass Hellboy sogar „Excalibur“ entdeckt, ist nicht nur ein gefundenes Fressen für alle Anhänger der Comic-Reihe, sondern durchaus auch für Mittelalter-Fans interessant. Band 11 namens „Die Krumme“ kann dem direkten Vergleich da leider nicht mehr wirklich standhalten. Die Titelgeschichte fesselt zwar in gewohnter Weise, die zahlreichen weiteren Kurzgeschichten sind für Hellboy-Verhältnisse leider ein bisschen flach, was vielleicht auch daran liegen könnte, dass in dem Buch neben Mignola & Fegreda noch zahlreiche weitere Zeichner zur Feder greifen. Das sorgt zwar einerseits für Abwechslung, weil jede Geschichte sich durch des Schöpfers eigene Handschrift auszeichnet, lässt aber manchmal die klassische Atmosphäre vermissen, welche die vergangenen zehn Bände mitunter zum Einträglichsten machen, was derzeit im Comic-Regal herumlungert. Wir warten derweil nur umso gespannter auf den anschließenden „Sturm“, die baldige Fortsetzung der Saga, welche die Geschichte der beiden Vorläufer „Ruf der Finsternis“ und „Die Wilde Jagd“ zu ihrem Ende führen soll.
Wem das zu lange dauert, dem sei in diesem Zusammenhang ein illustres Spin-Off der Hellboy-Reihe ans Herz gelegt. Die Serie erscheint wie das Original im „Cross Cult“-Verlag und umreißt die Arbeit der Organisation B.U.A.P., welcher Hellboy nach dem Roman „Sieger Wurm“ den Rücken kehrt. Ist schon wirklich nett, einige alte Bekannten aus dem Hause „Hellboy“ wieder auf der Bildfläche auftauchen zu sehen. Noch dazu zeichnet sich neben Christopher Golden und Tom Sniegoski niemand Geringeres als Hellboy-Schöpfer Mike Mignola für die Story des ersten Bandes „Hohle Erde“ verantwortlich. Unterstützt von Bleistift- und Tusche-Zeichnungen aus dem Hause Ryan Sook und Curtis Arnold wird gleich zu Beginn der Abschied Hellboys umrissen. Dabei bleibt „B.U.A.P.“ dem Stil der farbigen Hellboy-Bände treu und ist auf diese Weise eine willkommen Abwechslung für alle Fans der Original-Reihe. Natürlich macht sich Hellboys Fehlen zu Beginn sowohl für die Protagonisten, wie auch für den Leser, schmerzlich bemerkbar, wenn Liz & Roger bei Nachforschungen um einen Geisterzug plötzlich auf sich allein gestellt sind, es eröffnet den Schöpfern aber auch die Möglichkeit, die weiteren Haupt-Figuren zunehmend mit etwas mehr Tiefgang auszustatten. Ob die Reihe die Chance nutzt, muss sie in den weiteren Bänden erst noch unter Beweis stellen. Der erste Band nutzt zwar die Möglichkeit, auf unterschiedliche Zeichner zurückzugreifen und strahlt dadurch viel Abwechslungsreichtum aus, wirkt aber aufgrund der zahlreichen Beteiligten auch ein wenig unentschlossen. Nicht immer gelingt es den Zeichnern das Charakteristische der Figuren hervorzuheben, wobei das zugegeben auch ziemlich viel verlangt ist (man bedenke die große Vorgeschichte). Kurz gesagt: hier ist durchaus noch Luft nach oben: Wir werden euch aber in Sachen „B.U.A.P.“ natürlich trotzdem weiter auf dem Laufenden zu halten. Hält die Reihe zudem das hohe Niveau der gelungenen Titelgeschichte, braucht man sich auch nach Hellboys Abgang um fantastische Geschichten aus der Feder Mignolas keine Sorgen machen.
Zum Abschluss präsentieren wir euch heute noch mal ein echtes Schmankerl in Sachen Totenkopf-Geschichten. Die Geschichte von Monsieur Mardi Gras Aschermittwoch ist ein gefundenes Fresse für all jene, die sich schon immer gefragt haben, wie die „Armee der Finsternis“ wohl ausgesehen hätte, wenn sie jemand mit einem melancholischen Unterton verfilmt hätte. Der Geschichte wird vorangestellt, dass unser werter Protagonist auf ein Spielzeugauto im Badezimmer getreten sei und anschließend durch den Spiegel gehüpft ist. Auf der anderen Seite allerdings hat er „ROCK DJ“-mäßig Robbie Williams nachgeeifert und alles außer seine Knochen abgelegt, weshalb er fortan als Skelett durch die Einöde stapft, um herauszufinden, was da eigentlich mit ihm passiert ist. Die charmante Ablehnung mit der er seiner Aufgabe gegenüber tritt, sorgt für humoristische Momente, gleichzeitig erhöht der französische Comic-Künstler Éric Liberge die Schlagzahl, indem er die Ereignisse in bester Thriller-Manier vorantreibt. Unser Held neigt derweil immer wieder dazu auszuflippen, die cholerischen Anfälle des Protagonisten wirken allerdings niemals plump oder albern. Die Suche nach dem Sinne spiegelt in gewisser Weise auch unser eigenes Leben wieder, wenn wir uns zwischenzeitlich die Frage stellen, wozu das Ganze am Ende denn nun gut gewesen sein soll. Die Skelette werden zudem allesamt mit einer eigenen Identität ausgestattet, indem ihre Bruchstellen sichtbar gemacht werden. Dadurch wird der Aspekt der Vergänglichkeit deutlich, dem alles Leben unterworfen zu sein scheint. Wer auf melancholisch-amüsante Geschichten aus dem Knochenreich steht, sollte unbedingt mal einen Blick in den ersten Band riskieren. Und während der dich herzlich „Willkommen“ heißt, sagen wir erstmal „Tschüss“ für heute. Bis zum nächsten Strichcode.
UND WAS NUN?