Tino Hanekamps Roman „So was von da“ dreht sich um einen gewissen Oskar Wrobel, der einen Club am Rande der Reeperbahn betreibt. Alles scheint auf Party getrimmt, bis plötzlich eine Abrissbirne den großen Traum vom Glück in Schutt und Asche legen will. Währenddessen überschlagen sich die Ereignisse: Die Schulden nehmen überhand, sein bester Freund landet auf dem Abstellgleis, ein ehemaliger Zuhälter stürmt sein Apartment. Oskar wiederum versucht inmitten des Chaos irgendwie den Tag zu überstehen. Sein Glück zu finden. Dabei ist die Geschichte durchaus autobiographisch angelegt, denn Tino Hanekamp hat wirklich mal einen charmanten Club besessen, der vor einigen Jahren abgerissen wurde. Inzwischen leitet er das Hamburger Szene-Lokal „Uebel & Gefährlich“, welches in Szenekreisen zu den schönsten Indie-Clubs Deutschlands gezählt wird. Und so fühlt man sich von seiner Geschichte auch zunehmend in einen Sog der Emotionen gerissen. Hanekamp spuckt mehr, als dass er schreibt. Er knallt seinen Lesern Momentaufnahmen in kurzen prägnanten Passagen vor den Latz. „Ich befürchte, ich bin wach. Blicke auf eine Bierflasche, in der zwei Kippen schwimmen und ein Käfer. Brutalkopfschmerz. Auf dem Heizungsrohr ein Pelz aus Staub. Extrembrechreiz. Draußen knallt´s. Schließe die Augen. Es knallt noch mal. Was für ein beschissener Anfang“, so legt er los und entschließt sich nicht mehr damit aufzuhören, 285 Seiten lang, alles dreht sich um den poetischen Aspekt des Partylebens. Um Gefühle, Menschen, Sensationen. Alles glitzert, alles strahlt. Oder wie Tocotronic es einst so schön formulierten: „…eine Welt aus Papier, alles explodiert…“
Der italienische Richter Giancarlo De Cataldo hat uns mit seinem Roman „Romanzo Criminale“ bereits gekonnt vor Augen geführt, wie sich in den 70ern das Verhältnis zwischen dem organisierten Verbrechen und der Staatsgewalt in Italien gestaltete. In seinem aktuellen Buch richtet er seinen Fokus auf das Jahr 1992. In Rom, Palermo und Florenz werden Bomben gezündet. Kommissar Scialoja ist seiner Aufgabe als Gesetzeshüter müde und verhandelt mit den Strippenziehern aus den Reihen der Mafia. Alte und neue Clans treffen schließlich aufeinander. Der Protagonist verharrt zwischen den Stühlen und frönt im Antlitz seiner gefühlten Machtlosigkeit zunehmend dem Zynismus. Was tun, wenn man den Fängen eines korrupten Systems hilflos ausgeliefert ist? Was tun, wenn die anderen die Hebel in der Hand halten, die die Welt bewegen? Was nützt Macht auf dem Papier, wenn andere sie an sich reißen? Wobei in diesem Zusammenhang noch darauf hingewiesen werden soll, dass es sich bei „Schmutzige Hände“ nicht um ein zeitgeschichtliches Dokument handelt, sondern um eine fiktive Geschichte, die sich lediglich an historischen Fakten orientiert. Wie schon bei „Romanzo Criminale“ zieht De Cataldo seine Leser fortwährend in einen Sog der Emotionen, startet stilgerecht mit dem Satz „Der Mann, den sie umlegen sollten, hieß Settecorone“ und schafft es durch seinen lockeren Schreibstil eine komplexe Materie in eine spannende Geschichte zu überführen.
Wer sich anschließend noch ein wenig umfassender mit Geschichten aus der realen (Unter)Welt konfrontieren möchte, der sollte sich mal das aktuelle Werk des Journalisten Malcolm Beith reinziehen. In dem Roman umreist der Autor die Geschichte des mexikanischen Drogenbarons „El Chapo“ alias Joaquín Guzmán, der als Schlüsselfigur im mexikanischen Drogenkrieg gilt. Bemerkenswert an dem Buch ist, dass der Autor alle Seiten des Dramas beleuchtet. Er lässt sowohl Dealer als auch Staatsdiener und Ermittler zu Wort kommen. Er zeichnet so ein differenziertes Bild der Grundproblematik. Nachdem Joaquín Guzmán im Jahr 1993 von der Polizei mit großem Tohuwabohu festgenommen wird, gelingt ihm 2001 die Flucht aus einem Hochsicherheitstrakt in Jalisco. Im Jahre 2009 ist er immer noch auf freiem Fuß, zählt aber inzwischen zu den reichsten Männern der Welt. Er hat ein Imperium errichtet und auf seinen Kopf sind 5 Millionen Dollar ausgesetzt. Trotz zahlreicher Details (allein die Chronik des Buches nimmt 35 Seiten ein) verliert man Dank Malcolm Beiths strukturierter Herangehensweise niemals den Faden und findet sehr schnell Zugang zu der Thematik. Wer verstehen möchte, wie es dazu kommen kann, dass ein Land am Handel mit den Drogen zu verzweifeln droht, der sollte sich dieses Werk hier zu Gemüte führen. Er wird die Welt danach mit anderen Augen sehen.
Wer zwischendurch ein bisschen in Weltuntergangsphantasien schwelgen möchte, der sollte sich von niemand Geringerem als Bela B. die illustre Apokalyptika genannt „Exit Mundi“ vorlesen lassen. Bela B. knallt uns auf zwei Cds die besten Endzeit-Szenarien von Autor Maarten Keuleman um die Ohren, einem niederländischen Wissenschaftler und Journalisten, der unter anderem für das renommierte Blättchen „De Volkskrant“ textet. Seine Storys über „Roboter“ und „Aliens“, „Zombies“ und „Meteoriten“ sind vor allem deshalb so bestechend, weil sie allesamt wissenschaftlich fundiert daher kommen. Die Homepage „Exit Mundi“ sammelt nämlich bereits seit Jahren die besten Texte zum Thema Endzeitszenarien, die allesamt vor schwarzem Humor nur so strotzen. Für Diskussionsstoff ist also gesorgt, genauso wie für zwei unterhaltsame Stunden, die reichlich düsteren Anekdoten für die nächste Grufti-Party in der Hinterhand halten.
Allen Bio- und Öko-Skeptikern sei zum Abschluss noch die aktuelle Lektüre von Vanessa Farquharson ans Herz gelegt. Die junge Journalistin aus Toronto hat sich in der Vergangenheit einen imposanten Ruf als Powershopperin erworben und textet in locker-flockiger Art und Weise darüber, wie man sein Leben in 365 Tagen vollkommen umkrempelt. Der Selbstversuch, sich ein Jahr lang „ökologisch korrekt und trotzdem sexy“ zu verhalten, gestaltet sich derweil äußerst amüsant. Schrittweise nähert sie sich nach dem Genuss einer Al Gore-Dokumentation zum Thema „ertrinkende Eisbbären“ den Bräuchen der Hippies, dem Tofu-Mampfen und dem Haare-mit-Essig-waschen. Nebenbei bessert sie noch die CO2-Bilanz auf und kriegt gegen Ende auch noch so richtig das Kotzen. Ob sich der ganze Aufwand gelohnt hat, findest du am Besten selbst heraus. Die passenden Tipps zu Themen wie Umsteigen auf Recycling-Papier, Produkte aus der Region futtern oder Stofftaschentücher verwenden gibt’s natürlich inklusive. Nicht nur deshalb ist es schön, dass „Nackt schlafen ist Bio“ mit zwei Jahren Verspätung nun auch noch hierzulande erscheint. Wenn man schon nicht zum waschechten Öko mutieren möchte, ertappt man sich zumindest dabei, dass man beim Lesen immer wieder ins Schmunzeln gerät. Womit wir auch schon wieder am Ende wären für heute. Bis zum nächsten „Aufgelesen“.
UND WAS NUN?