Ich muss ja zugeben, dass ich das erste Album von Lykke Li immer für ein bisschen überschätzt gehalten habe. Ähnlich ging es mir mit dem Debüt von Charlotte Gainsbourg, die auch erst mit freundlicher Unterstützung von Beck auf ihrem zweiten Album zur Höchstform aufgelaufen ist. Nun hat ausgerechnet Beck ein Remix von Lykke Lis aktueller Single „Get Some“ geschrieben, einen Song wohlgemerkt, welcher mit seiner geballten Wucht und der augenzwinkernden Aussage „I´m Your Prostitute, You Gon´ Get Some“ jetzt schon einen sicheren Platz in den Jahrescharts 2011 für sich reserviert haben sollte. Auf dem nun veröffentlichten Zweitwerk „Wounded Rhymes“ bringt Lykke Li ihren Fans erstmal das Hüpfen bei. Die Scheibe legt los mit zwei ordentlichen Tanz-Nummern und sorgt dafür, dass keine Langeweile beim Hörer aufkommt. Mit diesem Album kann sich die Sängerin sogar dem direkten Vergleich mit ihrer renommierten Kollegin PJ Harvey stellen, die mit „Let England Shake“ gerade ein ebenso pulsierendes Werk aus dem Ärmel geschüttelt hat.
Friska Viljor hat in diesen Tagen eine neue Single namens „Larionov“ raus gehauen, die alle Schwerenöter unter euch in einen Frühlingsgefühl-Modus schalten lässt. Wirklich bemerkenswert ist, dass dem sympathischen Multiinstrumentalisten diesmal auch auf Albumlänge nicht die Puste ausgeht. „The Beginning Of The Beginning Of The End“ ist ein Album, das alle Anzeichen von Liebeskummer hinweg pustet, als wäre die ganze Welt ein Löwenzahn-Feld, das nur darauf gewartet, in alle Himmelsrichtungen verstreut zu werden. Das hier ist Musik, zu der man endlich mal wieder einen Purzelbaum schlagen möchte, obwohl man eigentlich schon seit zehn Jahren glaubt, dass das eigentlich recht kindisch ist. Alles hier strotzt nur so vor Emotionen, vor Melodien, vor Lebensfreude. Wer sich schon seit einigen Wochen fragt, wie er endlich die Trägheit der kalten Jahreszeit hinter sich lassen kann, Friska Viljor liefert die passende Anleitung dazu.
Green Day kümmern sich in der Zwischenzeit ebenfalls darum den bandeigenen Output an Live-Alben ein wenig aufzustocken und veröffentlichen mit „Awesome As Fuck“ ein gelungenes Rundum-Glücklich-Paket für alle Fans. Das Album besteht aus DVD und CD, welche in Sachen Songs nur minimal voneinander abweichen. Während die Bonus-DVD in Japan mitgeschnitten wurde und einen mitreißenden Auftritt in Tokyo auf die heimische Mattscheibe zaubert, präsentieren uns die altehrwürdigen Stadion-Punks auf der CD einen Rundumschlag ihrer letzten Live-Tour und versammeln 17 Songs von 16 verschiedenen Auftritten. Neben Manchester („Know Your Enemy“), Dallas („!Viva La Gloria!“) und Phoenix („Cigarettes And Valentines“) bekommt man in diesem Zusammenhang auch einen kurzen Eindruck vom Berliner Stelldichein der Jungs mitgeliefert. „When I Come Around“ dringt es plötzlich aus 1000en von Kehlen und alles scheint in Glückseligkeit zu ertrinken. Alles in allem lassen Green Day auf „Awesome As Fuck“ keine Zweifel daran, zu welch grandioser Live-Band sie sich doch in den letzten Jahren gemausert haben.
Wer auf kolumbianische Sounds steht, sollte sich derweil mal den aktuellen Veröffentlichungs-Katalog des sympathischen Labels „Trikont“ reinziehen. Unter dem Namen „Afritanga – The Sound Of Afrocolombia“ erscheint in diesen Tagen ein illustrer Sampler mit zahlreichen Perlen aus Kolumbien. Der Titel ist ein Wortspiel aus „Afrika“ und „Fritanga“ – das ist eine Grillplatte, die hauptsächlich aus frittiertem Fleisch besteht. Aufgetischt bekommt man anschließend zahlreiche gelungene Sonnenschein-Sounds von System Solar, The Flowering Inferno (Quantic), Grupo Bahla, La Makina Del Karibe und Calambuca, die alle Anhänger lateinamerikanischer Musik mit einem breiten Grinsen ausstatten sollten. Wie immer bekommt man dazu zahlreiche Hintergrundinformationen zu den Songs und Bands im hochwertig gestalteten Booklet mitgeliefert. Alles in allem eine runde Sache, die dafür sorgt, dass man sich viele der Bands gerne auch mal auf Albumlänge zu Gemüte führen möchte.
Johannes Stankowski macht sich derweil auch ohne die Unterstützung seines Kumpels Werle daran, die Indie-Hörerschaft mit seiner charmanten Stimme zu umschmeicheln. Sein Soloalbum „Torres Vol. 1“ trägt dabei nicht nur in Sachen Artwork dick auf (da trifft ein Drahtesel, wie man ihn aus Easy Rider kennt, auf eine Antonio Banderas-Gedächtnismähne), da wird auch musikalisch so richtig schön in nostalgischer Stimmung verharrt. Das Album klingt eigentlich genau so, wie man sich Werle & Stankowski immer in einer Akustik-Version vorstellen durfte und immer wieder ist man ergriffen von dieser geheimnisvollen Stimme, die so verletzlich und herzerwärmend zugleich anmutet. Wer sich schon lange mal wieder danach gesehnt hat, nachts um halb 3 mit dem Barkeeper und einer hübschen Dame, bzw. einem hübschen Herren am Tresen zu sitzen, der sollte sich „Borrowed Wings“ als soundtechnische Untermalung dazu wünschen. Es klingt so wunderbar, wenn hier Pompöses mit solch brüchigem Gesang gekontert wird. Ein bemerkenswertes Werk, dessen Fortsetzung hoffentlich nicht lange auf sich warten lässt.
Akustisch geht es derweil auf dem aktuellen Album von Never Shout Never zu. Der US-Musiker legte anfangs auf MySpace los, um sich von dort aus mit seinem Emo-Pop-Mix eine große Fangemeinde in den Vereinigten Staaten zu erspielen. In den USA kletterte seine jetzt auch hierzulande veröffentlichtes Album „Harmony“ bis auf Platz 14 der Charts und man muss der Platte durchaus zugestehen, dass sie ein paar schmissige Melodien in der Hinterhand hält. Allein der famose Track „Last Dance“ ist ein gefundenes Fressen für all jene, die sich schon seit geraumer Zeit gewünscht hätten, die Kollegen von Dashboard Confessional würden mal ein bisschen aufs Gaspedal treten. Natürlich werden mit diesem Sound auch Fans von Quoten-Bands der Marke Hawk Nelson bedient, alles in allem kann „Harmony“ aber dennoch mit den aktuellen, ebenfalls gelungenen Emo-Pop-Output von Kollegen wie Hellogoodbye oder The Dangerous Summer mithalten. Weiter so, Christopher.
The Van Jets könnten derweil all jenen gefallen, die sich schon immer gefragt haben, wie es wohl klingen würde, wenn die Kollegen von Jet mit den Arctic Monkeys ein gemeinsames Album einspielen würden. Alles rummst und kracht auf „Cat Fit Fury!“, aber die vier Jungspunde aus Belgien haben die passenden Melodien im Gepäck, um trotzdem für Entzücken bei der Indie-Hörerschaft zu sorgen. Allein schon wie sich der Opener „The Future“ nach zwei Minuten noch mal in eine atemberaubende Bridge hinüber rettet, lässt einen auf die Knie gehen und die Jeans am kargen Wohnzimmerparkett auf schreddern. Wer auf der Suche nach Musik ist, die über die volle Länge eine massive Dringlichkeit ausstrahlt, der sollte sich dieses Debüt auf keinen Fall durch die Lappen gehen lassen.
Pendikel lassen es sich derweil auf ihrem neuen Album wieder nicht nehmen, dem Exzess zu frönen. Alles auf „Pendikeland“ hat sich dem Gesamtkonzept unterzuordnen, wobei sich die Platte erstmal langsam anschleicht, bevor sie einen in bester „Sport“-Manier geradewegs überrennt mit ihren Gitarren und Melodien, die allesamt auf den großen Moment zusteuern. Während einen Konzeptalben bei anderen Bands gerne mal auf die Nerven fallen oder nach den ersten fünf Songs ihren Reiz verlieren, schaffen es die Jungs ihre Hörerschaft mit Zeilen wie „Zuversicht steht dir ganz gut, liegt auch kein Grund auf der Hand. Augen zu, herzlich willkommen im Pendikelland“ bei der Stange zu halten. Wer auf deutschsprachige Popmusik mit Widerhaken und poetischen Texten steht, sollte unbedingt mal reinhören. Genauso wie alle Fans von Kante. Womit wir dann auch schon wieder durch wären für heute. Bis zum nächsten Zuckerbeat.
UND WAS NUN?