Jonathan Inc. haben eines dieser Alben geschrieben, dass in einer besseren Welt die neue Coldplay an der Spitze der Charts ablösen würde. Der atmosphärische Indie-Pop auf „Lost:Time“ schlittert immer wieder in hymnische Gefilde und widerlegt damit das Vorurteil, dass sich sphärische Feedback-Klänge nicht mit schmissigen Melodien vereinen lassen. Hier tanzen alle Stile Engtanz und doch klappt es zwischenzeitlich mal mit dem Hüftschwung. Wer auf die Kollegen von Spiritualized und Aereogramme steht, sollte unbedingt mal reinhören. Und spätestens bei „Impatiant“ wirft dann auch die Counting Crows-Fraktion mit Luftküssen um sich.Anschließend wird dann noch mit Posaunen um die Gunst des Zuhörers gebuhlt. Ein Banjo aus der Schatulle gekramt und ein orchestraler Sound aufgefahren, der dazu führt, dass es im Opernhaus plötzlich Gänseblümchen vom Himmel regnet.
Fans der gehobenen Pop-Rock Schule im Grenzgebiet von Gang Of Four und den Kinks sollten sich derweil mal an das neuste Pulverfass der Young Knives heranpirschen. „Ornaments From The Silver Arcade“ ist eine Groove-Klatsche, die jeder guten Tanzfläche den Parkettboden massiert. Man kommt gar nicht mehr raus aus dem Nebelschwaden-Getummel, das passend zu diesen betörend-tänzelnden Klängen die eigenen Hüften in Wallung versetzt. Wer sich vom letzten Album von Spoon ein wenig mehr Tanzbarkeit und etwas weniger Experimentierkunst erhofft hatte, hier findet er passenden Ersatz.
Coloursmusic knallen uns derweil nicht nur die Pop-Art-Variante des Zweitwerk-Artworks von Rival Schools vor die Linse, die machen auch ziemlich verschrobenen Grusel-Pop mit reichlich Beschwörungsformeln und einer fetten Schicht Lärm, der schöne Erinnerungen an Jesus & Mary Chain wach ruft. Alles auf diesem Album schreit geradezu danach, einem direkt in die Glieder zu fahren, um dort für Gänsehaut-Atmosphäre zu sorgen. In der Folgezeit treffen dann Garage-Rock-Tunes und Gospel-Passagen aufeinander, wobei einen das Gefühl beschleicht, dass „My ______ Is Pink!“ in musikalischer Hinsicht nicht nur als zeitgemäßes Hendrix-Update durchgeht, sondern Selbigem aufgrund der geballten Experimentierfreude auch noch ziemlich gut gefallen würde.
Cargo City setzen nach ihrem Stelldichein als Soundtrack-Lieferanten für den eben „Lola“-ausgezeichneten Streifen „Vincent will Meer“ den Blinker links und versuchen vom seeligen Indie-Hafen in Richtung Pop-Gefilde aufzubrechen. Der gleichnamige Opener ihres Albums „Dance/Sleep“ legt die Messlatte dermaßen hoch an, dass man sich schon ein bisschen Sorgen darüber macht, ob die Band da über zehn Runden drüber zu hüpfen vermag. Die Zweifel allerdings sind unbegründet. Cargo City haben ein astreines Band-Album abgeliefert, das klingt, als hätten sich die Kollegen von Sophia dazu entschlossen, ein paar Songs von Coldplay abzubauschen. Womit die Jungs um den Frankfurter Musiker Simon Konrad auch spielend die Herzen der Indie-Pop-affinen Tanzgemeinde für sich erobern sollten.
Vs. Rome sind derweil ein echter Geheimtipp für alle Fans von Blackmail. Mit ihrem brutalen Indie-Rock-Gewitter und den dazu gehörigen Hooklines sorgen sie schon nach wenigen Sekunden dafür, dass man als Hörer die Faust gen Clubhimmel reckt. Da spürt man die tiefe Verwurzelung der Band im Hardcore-Bereich, es wird aber auch eine gewisse Affinität zu poppigen Melodien sichtbar. „All Ending“, der zweite Song des Werks zum Beispiel könnte in dieser Form als verschollene Single der Blood Brothers durchgehen, das dynamisch arrangierte „Places“ ruft schöne Erinnerungen an Sunny Day Real Estate wach. „The Ende Is Important In All Things“ verweigert sich soundtechnisch komplett dem Zeitgeist und schenkt seinen Hörern gerade deswegen das Gefühl, etwas Langlebigem beizuwohnen. Vs. Rome stürmen mit dieser Platte direkt in Richtung Post-Rock-Gefilde, wobei sie allerdings sehr viel Wert auf den „Rock“-Aspekt dieser Zuschreibung legen. Am Ende klingt ihre Musik ziemlich eigen und noch dazu äußerst bemerkenswert, man hätte ja nicht unbedingt vermutet, dass fünf Jungspunde aus dem Ruhrgebiet dem Rock-Genre eine Frischzellen-Kur verabreichen.
Wer sich hinterher mal wieder einen zeitgemäßen Rundumschlag in Sachen Vokalakrobatik abholen möchte, der sollte sich das neue Album von Beardyman in die Boombox packen. „I Done A Album“ kriegt tatsächlich hin, was man schon nicht mehr für möglich gehalten hatte. 20 Songs lang wird ge-beat-boxt, bis die Bassline einknickt. Da fängt man schon nach zwei Minuten ungläubig an, sich den Hals zu verrenken zu diesen abstrakten Sounds, die der werte Beatbox-Maestro hier abliefert. Wer sich schon immer mal gefragt hat, wie es wohl klingen könnte, wenn Bauchklang von DJ Koze und Magnetic Man durch den Mixer geschubst werden, sollte sich in dieser Stolperfalle von Album verheddern. Ein beeindruckendes Werk.
Sawoff Shotgun haben sich in der Zwischenzeit nicht nur entschlossen den Gaul verkehrt herum zu besteigen, sie machen auch keinen Hehl daraus, dass sie in musikalischer Hinsicht ein bisschen Herumexperimentieren möchten. „For Our Sanity“ legt in diesem Zusammenhang ziemlich euphorisch los und beschert dem Zuhörer eine illustre Tanzparty. CocoRosie werden hier als Referenzpunkt genannt, was gar nicht so abwegig ist, man muss sich die Kolleginnen allerdings in einem Blitzlichtgewitter vorstellen. Unser dynamisches Trio macht schnörkellosen Elektro-Pop, der zum Tanzen einlädt. Wer Gefallen an einem musikalischen Bastard aus Lady Sovereign und Ace Of Base finden könnte, der sollte unbedingt mal reinschnuppern. Ein durch und durch euphorisches Werk
Dave Depper hat sich derweil nach einigen Aushilfsjobs bei den Decemberists und Mirah dazu entschlossen, sein eigenes Ding durchzuziehen und knallt uns mit „The Ram Project“ ein nostalgisch angehauchtes Liedermacher-Album um die Ohren, welches den Geist von Paul McCartney atmet, aber auch gehobener Lo-Fi-Romantik der Marke Moldy Peaches gegenüber nicht abgeneigt ist. Wer sich schon immer mal gewünscht hat, mit einer Zeitmaschine direkt auf ein Konzert der Kinks zu springen, sollte mal reinhören. Es lohnt sich. Und damit Schluss für heute. Bis zum nächsten Zuckerbeat.
UND WAS NUN?