Sollen das wirklich die guten, alten Dredg sein? Ich meine, es hat sich ja bereits auf den letzten Alben angekündigt, dass sich die Band immer weiter in poppige Gefilde verabschiedet, aber schon nach dem Opener ihres neuen Albums ist klar, dass sie diesen Weg nun konsequent zu Ende gegangen sind. Es ist in diesem Zusammenhang sehr wichtig, sich erst einmal frei zu machen, von dem, für was Dredg einst standen. „Chuckles And Mr. Squeezy“ ist ein Neustart. Ein kompromissloses Werk. Ein Pop-Manifest zu dem man nur Zugang findet, wenn man sich erstmal aller Erwartungen entledigt. Produzent Dan The Automator hat sich dazu entschlossen, der Band ihre Klampfen zu klauen und sie durch ein Meer aus Synthesizern ersetzt. Diesen Pop-Aspekt kontern Dredg wiederum durch vertrackte Songstrukturen, die dafür sorgen, dass es dem Hörer trotzdem nicht leicht fällt, sich durch dieses Sammelsurium an Melodien zu buddeln. „Chuckles And Mr. Squeezy“ ist deshalb vor allem eine Platte für die man sich viel Zeit nehmen sollte. Nach den ersten paar Durchläufen stellt sich dann aber ein gewisses Hochgefühl ein. Hat man sich nämlich erstmal davon verabschiedet, Dredg in einem Rock-Kosmos zu verorten, wird man als Hörer einige düster-karamellisierte Pop-Perlen vorfinden.
Mit einer sehr viel spärlich arrangierteren Melodie-Schleuder warten in diesen Tagen die Fleet Foxes auf, um alle Indie-Folker in „Tränendrüsen“-Modus zu schubsen. Über die Band braucht man eigentlich keine großen Worte mehr zu verlieren. Es dürfte jedenfalls kaum einen geben, der ihr als Indie-Folk getarntes Lagerfeuer-Gewächs in den letzten zwei Jahren nicht ins Herz geschlossen hat. Ihr zweites Album sorgt in diesem Zusammenhang erstmal dafür, dass man die Gartenstühle rausholt und sich die Sonnenstrahlen auf die Birne purzeln lässt. Klingt alles ziemlich entspannt, was da auf „Helplessness Blues“ zusammengeraspelt wird. Nach einigen Durchläufen bleibt dann aber ganz unvermittelt auch mal die eine oder andere Melodie kleben, so dass die Bienchen und Blüten plötzlich eine Choreographie zu dieser Musik aufführen. So funktioniert Lagerfeuer-Romantik mit Widerhaken. Trotz der spärlichen Instrumentierung muss man sich in dieses Werk reinarbeiten. Nur so offenbaren sich am Ende alle Facetten dieses melodieseeligen Windspiels.
Wenn der Name Favez fällt, dürfte sicher so mancher unserer Leser nostalgisch werden. Die Schweizer Jungs haben es doch tatsächlich geschafft, ein neues Album zusammen zu basteln, das man sich am Besten als verlängerten Arm der neuen Foo Fighters-Scheibe vorstellt. Dazu eine kleine Portion Emo-Pop der Marke The Get Up Kids und ein paar hymnische Melodien a la The Hold Steady – und fertig ist die Hitschleuder. „En Garde“ ist eines dieser Indie-Rock-Werke, wie sie heutzutage nur noch sehr selten erscheinen. Es atmet ganz zweifelsohne den Geist von Bruce Springsteen, läuft aber niemals Gefahr in allzu raditaugliche Gefilde abzudriften. Für alle, die jetzt auf den Geschmack gekommen sind, soll bei dieser Gelegenheit auch auf den sechsteiligen Back-Katalog der Jungs hingewiesen werden. Vor allem das 2000er Album „Gentlemen Start Your Engines“ gehört zu den unterschätztesten Alternative-Rock-Perlen des vergangenen Jahrzehnts. Eine großartige Band.
Wer auf Arab Straps Sing Sang und einen Himmel voller Geigen steht, der sollte sich mal das aktuelle Album von der Gruppe When Saints Go Machine zu Gemüte führen. Die Scheibe klingt, als hätten sich die Jungs von Animal Collective in ein Opernhaus verirrt. Es ist schon bemerkenswert, wie das Vierergespann hier die unterschiedlichsten Klangmotive miteinander verknüpft, ohne dass es irgendwie überladen klingen würde. Wer sich schon immer mal gefragt hat, wie sich die Musik von Aphex Twin wohl in einer Post-Punk-Variante anhören würde, der sollte sich dieses Falsett-Manifest auf keinen Fall entgehen lassen. „Konkylie“ gleich kongenial. Trotz unseres ganzen Namedroppings hier.
Die australische Musikerin Lenka macht sich in der Zwischenzeit daran zum sympathischsten Pop-Darling der Saison zu avancieren. Ihr zweites Album „Two“ punktet mir einer großen Portion Enthusiasmus, ihre Melodien verpackt sie in Wohlfühl-Pop-Schunkler, die auch Fans von Lily Allen und Lena in euphorische Stimmung versetzen sollten. Inhaltlich ist da zwar noch Luft nach oben und zwischenzeitlich nervt auch die eine oder andere Herzschmerz-Ballade ein bisschen, trotzdem kann man der Musikerin ein gewisses Talent für blumige Pop-Hits nicht absprechen. Die erste Single „My Heart Skips A Beat“, der Opener „Two“ und der (übrigens gar nicht so traurige) „Sad Song“ gehören zu den schönsten Versuchungen, die man diesen Frühling so ins Ohr gesäuselt bekam. Wer also in diesen Tagen den passenden Soundtrack zum Gänseblümchenkranzbasteln sucht, sollte unbedingt mal reinhören. Es lohnt sich.
Alternativ kann er aber auch zum inzwischen dritten Album von Metronomy greifen. Das Werk besticht nicht nur mit einem charmanten Palmenstrand-Cover, sondern auch durch seine entspannte Atmosphäre, die sich erst im Albumkontext vollends entfaltet. Natürlich haben sie mit „She Wants“ auch einen wirklich gelungene Single-Nummer am Start, aber ansonsten versteht sich „The English Riviera“ als klassisches Konzeptalbum, das mit seinen verstrahlten Funk-Perlen den letzen Sonnenstrahlen beim Abdriften hinab der Horizontalen zuglotzt. Man sollte unbedingt etwas Zeit mitbringen für dieses Werk. Man sollte sich auch von dem Gedanken befreien, Metronomy weiter in einem Dance-Kontext zu verorten. Man sollte einfach die Augen schließen und die Musik genießen. Nur so breitet sich schon nach wenigen Minuten „The English Riviera“ vor den eigenen Füßen aus. Ein Hochgenuss, dieses Album.
Stevie Nicks beglückte in der Vergangenheit nicht nur Fleetwood Mac mit ihrer verrauchten Stimme, sie teilte sich auch schon mit Jimi Hendrix und Janis Joplin die Bühne. Nun macht sie sich schon seit einigen Jahren daran, ihrem ollen Output etwas Neues hinzuzufügen und legt mit „In Your Dreams“ ein stimmungsvolles Solo-Album vor, das man sich am Besten abends am Kamin zu Gemüte führen sollte. Da wird nämlich nicht nur dem „Moonlight“ gehuldigt, da dreht sich auch sonst so einiges um Geister, Seen und Träume. Es ist ein in sich gekehrtes Album, das die Künstlerin hier aus dem Ärmel schüttelt, wobei man ihr zu gute halten muss, dass sie ihr Anliegen immer wieder in schmissige Lagerfeuerhymnen zu transformieren vermag. Wer sich also von dem weißen Ross auf dem Cover nicht abschrecken lässt, wird mit einem durchaus gelungenen Radio-Rock-Werk belohnt.
Daniel Haaksman macht derweil keine Gefangenen und sorgt gleich mit dem Opener seines aktuellen Albums „Rambazamba“ dafür, dass die „Funky Cold Medina“-Fraktion auf der Stelle in den Ekstase-Modus schaltet. Baile Funk ist ja schon seit geraumer Zeit in aller Munde. „Rambazamba“ allerdings dürfte dafür sorgen, dass auch Jazz- und Grime-Fraktion euphorisch die Hände in die Luft schwingt, um hemmungslos den Vorgaben dieses Grooves Folge zu leisten. Deshalb tanzt mal wieder. Und lasst es euch gut gehen. Bis zum nächsten Zuckerbeat.
UND WAS NUN?