Zu den Jungs von Incubus braucht man in diesem Zusammenhang wohl keine großen Worte mehr verlieren. Die Band hat sich in den letzten Jahren ein wohlig, weiches Bett im Alternative Rock-Wunderland gesichert, so dass sie inzwischen selbst auf größeren Rockfestivals zu den Zugpferden des Abends gehört. Incubus waren und sind vor allem eine Live-Band. Ihr Erfolg ist unter anderem auf den Charme des sympathischen Frontmanns zurückzuführen. Wer jetzt allerdings denkt, sie würden ihrem breiten Output mit dem neuen Album „If Not Now, When?“ einen weiteren, gleichförmig anmutenden Baustein hinzufügen, sieht sich getäuscht. Die Jungs haben sich mal eben runderneuert. Incubus kehren nach dem rockigen Vorgänger ihre melancholische Seite nach außen. Die Scheibe strotzt nur so vor Melodien, die einen ins Schwärmen bringen, wenn man nachts eng-umschlungen in einer riesigen Menschenmasse ertrinkt. Man fühlt sich wie auf Händen getragen von diesen Songs, was anfangs dazu führt, dass man schon wieder abschalten möchte. Schenkt man dieser Scheibe allerdings ein gehobenes Maß an Aufmerksamkeit, darf man miterleben, wie die Jungs gegen Ende mit dem wunderbaren „Switchblade“ noch mal zu einer nicht geahnten Höchstform auflaufen. Incubus haben es sich mit diesem Werk sicher nicht leicht gemacht. Sie scheinen aber gerade deshalb auf dem besten Weg dazu, mit fortschreitendem Alter nicht an Relevanz einzubüßen.
Über der Sinn oder Unsinn von Live-Alben wurde in der Vergangenheit bereits genug geschrieben. Versuchen wir Biffy Clyros aktuellen Beitrag zu dem Thema also einfach mal als das zu nehmen, was es ist: eine verdammte Hitschleuder. Im Vierminuten-Takt werden hier die großen Hits der Jungs raus gehauen. „Bubbles“, „God & Satan“, „That Golden Rule“, „Saturday Superhouse“ und „Mountains“ – alle hier drauf. Und wer tatsächlich noch nicht die Möglichkeit hatte, sich eine Show der Jungs rein zu ziehen, der kann nun auch noch sehen, was er verpasst hat. Der Scheibe wurde nämlich eine DVD beigelegt, die perfekt die atemberaubende Rockshow der Jungs ins heimische Wohnzimmer transformiert. Am Ende startest du so lange Hechtsprünge aufs Sofa, bis es dir das Polster zerfetzt. Wer auf perfekt inszenierte Rock-Unterhaltung der guten Seite steht, sollte sich „Revolutions // Live At Wembley“ auf keinen Fall entgehen lassen. Da geht einiges.
Joshua zählten in den 90ern zur Speerspitze der Post-Punk-Szene, die sich im kleinen aber feinen Rahmen unter dem Banner des Labels „Doghouse“ aufmachte, eine ganze Reihe illustrer Nachkommen mit ihrem emotionalen Sounds zu infizieren. Die Folgen sind bekannt: Taking Back Sunday und Thursday füllen heute die großen Hallen und bekommen nun wieder Gesellschaft von den Helden ihrer Jugend. Die Jungs aus New York haben doch tatsächlich noch einmal ein neues Album eingespielt und hört man „Choices“, scheint es als wären die 90er Jahre nur einen Katzensprung entfernt. Es verhält sich mit diesem Album ein bisschen so, wie mit den letzten beiden Scheiben von Dinosaur Jr. Im Hause Joshua scheinen die Uhren still gestanden zu sein in den letzten 20 Jahren, umso bemerkenswerter ist es, wie herzlich einen dieser Sound vom ersten Track an wieder bei der Hand nimmt, nur um einem dann zuzuflüstern: „Now I´m Left Here Confused But At Least I´m Free“.
Simple Plan haben in der Vergangenheit den Gang vom sympathischen Underdog-Pop Punker der Marke New Found Glory zum Stadion-Act vollzogen. Schade nur, dass die letzten Alben den Schwung des famosen Debüts vermissen ließen. Nun scheinen Simple Plan alles wieder gut machen zu wollen. Der Opener „You Suck My Love“ ist die passende Hymne um sich splitterfasernackt auf einer ausufernden Hausparty in Richtung Pool zu hechten. „Can´t Keep My Hands Off You“ punktet mit einem Gastbeitrag von Weezer-Sänger Rivers Cuomo und macht Lust auf mehr. Schade eigentlich, dass die Band sich auch Natasha Bedingfield und K´naan als Gastsänger(innen) ins Studio geholt hat, vor allem Letzterer sorgt mit seinem schmalzigen Gesäusel für grausige Momente, welche wohl als Hommage an Sugar Ray gedacht waren, die aber jegliche Leichtigkeit vermissen lassen. Entschädigt wird man dann allerdings wieder mit den beiden frechen Pop Punk-Krachern „Last One Standing“ und dem treibenden „Freaking Me Out“ mit freundlicher Unterstützung von Alex Gaskarth. Alles in allem ist dann also alles noch mal gut gegangen. Hier sind mindestens fünf Hits fürs nächste Festivaltape mit drauf.
Wenn die Kollegen von „Sub Pop“ sich einen HipHop Act unter den Nagel reißen, dann darf man auf etwas ganz Besonderes gefasst sein. Shabazz Palaces übertreffen die hohen Erwartungen dann noch einmal um Längen mit ihrem melancholisch beseelten Post-Rap-Entwurf namens „Black Up“. Die Scheibe schickt sich an, dort anzudocken, wo der Kollege von Aesop Rock auf seinem letzten Werk aufgehört hat. Muss man bei Tyler, The Creators letztem Werk noch beide Augen zudrücken, um sich nicht über die zahllosen, diskriminierenden Texte aufzuregen, sorgen Shabazz Palaces lieber mit jazzigen Parts und abstrakten Lyrics, die sich um Gestirne und Grenzüberschreitungen drehen, für Furore. Wer also mal wieder ein imposantes Manifest in Sachen Rapmusik vor den Latz geknallt bekommen möchte, sollte unbedingt mal reinhören. Es lohnt sich. Und das nicht nur aufgrund des „goldigen“ Plüschvorhangs, unter dem der Silberling versteckt wurde.
Wer sich derweil auf den „Summer Of Girls“ einstimmen möchte, welchen der Fernsehsender „arte“ derzeit ausruft, der braucht nicht lange in der CD-Kiste zu kramen, um sich den passenden Soundtrack dazu zusammen zu basteln. Passend zum Kulturprogramm gibt’s nämlich das volle Paket an Pop-Musik der letzten Jahrzehnte in einer schicken 3-Cd-Box, die mit allem aufwartet, was Rang und Namen hat(te). Nach einem zeitgenössischen Auftakt mit Lady Gaga, Rihanna und Katy Perry, kommen mit zunehmender Lauflänge auch die Größen der letzten Jahre zum Zug. Während man den Hype um Britney Spears nur allzu gerne wieder ungeschehen machen möchte, freut man sich über ein Wiedersehen mit Shirley Bassey, Grace Jones und Nico. Darüber hinaus zeigen Jungspunde wie Lily Allen, Duffy und Beth Ditto mit ihrer Band The Gossip was sie können. Und dass man Peaches und Nena mal zusammen auf einem Silberling entdecken würde, damit hätte wohl wirklich keiner gerechnet. Für einen krönenden Abschluss nach 57 Runden sorgt dann die herzallerliebste Zaz, die derzeit nicht nur in Frankreich zum Megastar avanciert. Alles in allem eine durch und durch gelungene Zusammenstellung, die mit Ausnahme des ersten Silberlings fast vollständig ohne Totalausfälle daherkommt.
Blondie hat sich derweil doch tatsächlich dazu entschlossen, noch mal so richtig auf die Kacke zu hauen. In diesem Zusammenhang hinterlässt nicht nur das fulminante Artwork ihres aktuellen Longplayers „Panic Of Girls“ einen bleibenden Eindruck. Auch der Opener der Scheibe selbst klingt, als hätte Robyn sich eine Band zusammengesucht und zum Großangriff auf die FM4-Charts gerufen. Die 37jährige stellt mit diesem Album unter Beweis, dass Alterswerke nicht immer nur zur Verwaltung des eigenen Erbes herhalten müssen. „Panic Of Girls“ hat seinen Blick nach vorne gerichtet, strotzt in diesem Zusammenhang nur so vor Energie und ist mit seinen 11 Songs schmissig genug, um keine Langeweile aufkommen zu lassen. So kann´s weitergehen.
Robin Guthrie dürfte sich derweil mit dem Opener seines neuen Albums direkt in die Herzen aller „Twin Peaks“-Anhänger spielen. Der klassische Auftakt klingt wie ein atmosphärisches Update des Titelthemas der beliebten 90er Jahre-Mystery-Serie und lässt den Hörer in gespannter Erwartung zurück, wie der fulminante Auftakt denn noch getoppt werden könnte. Diesbezüglich orientiert sich der Soundarchitekt auf seinem Album „Emeralds“ am Sound von M83 und diversen Film-Scores, die hier in atmosphärisches Rundumpaket ergeben. Wer mal wieder auf Wolke 7 schweben möchte, sollte unbedingt mal reinhören. Und damit Schluss für heute. Bis zum nächsten Zuckerbeat.
// verfasst von Alexander Nickel-Hopfengart
UND WAS NUN?