Und schon ist es wieder so weit. „Chew“ ist zurück. Der Schnüffler, der bereits renommierte Auszeichnungen in Form des „Will Eisner“- und „Harvey“-Awards abstauben konnte, wurde auch diesmal von Autor John Layman und Zeichner Rob Guillory treffend in Szene gesetzt. Nun erscheint der zweite Band namens „Reif für die Insel“ auch hierzulande im „Cross Cult“-Verlag und man kommt abermals aus dem Schmunzeln nicht mehr heraus, wenn der „Bulle mit Biss“ seine Spürnase einsetzt, um auf einer Südsee-Insel namens Yamapalü den Machenschaften eines geheimnisvollen Vampirs auf die Schliche zu kommen. Darüber hinaus darf Chew natürlich auch in kulinarischer Hinsicht wieder auftrumpfen. Schließlich gilt es noch das Geheimnis um die so genannte Gallusfrucht zu lüften. Außerdem hat es eine Agentin des Landwirtschaftministeriums auf Tony Chu abgesehen, der sich diesmal dazu entschlossen hat, auf eigenes Risiko in die Höhle des Löwen zu kriechen. Man kann diesen Roman derweil nicht nur als witzigen Grenzgänger zwischen Kochstudio und Agententhriller verstehen, es ist auch eine Portion Gesellschaftskritik zu spüren, wenn Chew die Lebensmittelindustrie aufs Korn nimmt. Mit seinem hellseherischen Geschmacksinn hat er uns Normalsterblichen da natürlich einiges voraus. Ob der allerdings genügt, um die Insel wieder in einem Stück zu verlassen, musst du schon selbst herausfinden. „Reif für die Insel“ ist die perfekte Urlaubslektüre für 2011. Lass dir dieses geschmackvolle Werk auf keinen Fall entgehen.
Der großformatige, erste Band der Reihe „Smoke City“ dreht sich derweil um einen bunten Haufen Diebe, die sich einer ollen Mumie in einem schwer bewachten Gefängnis bemächtigen wollen. Die Neugier aller Fans von Streifen der Marke „Ocean´s Eleven“ dürfte demnach also geweckt sein. Darüber hinaus punktet die Novelle durch gehobene Noir-Ästhetik der Marke „The Last Days Of American Crime“. Fans von „V wie Vendetta“ (und wer bitteschön ist das nicht) dürfen ebenfalls einen Blick in den düsteren Comic-Band riskieren. In „Smoke City“ bekommt man außerdem eine gehörige Portion schauriger Momente geliefert, die einen eine Gänsehaut nach der nächsten über den Rücken jagen. Texter Mathieu Mariolle und Schöpfer Benjamin Carré gelingt das Kunststück die hochtrabenden Dialoge (Marke „Sin City“) mit einer gespenstisch angehauchten Kriminalgeschichte zu kontern, so dass man es als Leser gar nicht mehr aus dem Staunen heraus kommt. Bleibt am Ende eigentlich nur zu hoffen, dass uns der renommierte „Splitter“-Verlag nicht allzu lange auf den abschließenden, zweiten Band der Saga warten lässt.
Comics und Comedy-Shows über Pärchen gibt es zuhauf. Im Grunde genommen gelingt es dabei nur den wenigsten Künstlern, bestimmte Situationen einerseits witzig zu umreißen, andererseits aber nicht in die üblichen Klischeefallen zu treten. Der Wuppertaler Zeichner Jamiri alias Jan Michael Richter ist diesbezüglich mit einem Talent gesegnet, das Zwischenmenschliche tatsächlich so zu verpacken, dass man immer wieder ins Schmunzeln gerät und mit fortwährender Dauer nicht auf Fremdschäm-Modus schaltet. Zugegeben. Manche Pärchen-Episoden, welche hier aus dem Ärmel geschüttelt werden, sind bereits hundert Mal erzählt worden. Jamiris Comic-Reihe über seine Frau Beate hat allerdings auch schon zwölf Jahre auf dem Buckel und war zuletzt lange vergriffen, bevor sie nun in runderneuerter Form (veröffentlicht von „Edition 52“) noch einmal das Licht der Welt erblickt. Die kurzen Episoden leben vor allem davon, dass Jamiri konsequent dazu bereit ist, seiner Frau das letzte Wort zu überlassen. Außerdem werden in zahlreichen Situationen die Rollen neu verteilt, was ja nur logisch erscheint, wenn man sich die Gesellschaft von heute mal zu Gemüte führt. Am Ende entpuppt sich „Kamikaze D´Amour“ als willkommene Alternative, die all den Nachahmern da draußen vortrefflich vor Augen führt, was sie da für einen vorurteilsbeladenen Nonsens von sich geben.
Wer auf humoristisch angehauchte Gangstergeschichten steht, der sollte sich mal die gelungene Graphic Novel Hot Rock von Zeichner Christian Lacroix alias Lax zu Gemüte führen. Der studierte Künstler aus Frankreich hat sich in der Vergangenheit als Kurzgeschichtenzeichner einen Namen gemacht und adaptiert nun einen Roman von Donald E. Westlake, welcher in den 70ern bereits mit Robert Redford unter dem Titel „Finger weg vom heißen Eis“ auf Leinwand überführt wurde. Der Plot des Ganzen ist schnell umrissen. Alles dreht sich um einen gewissen John Dortmunder, der gerade wieder aus dem Kittchen raus ist. Natürlich warten seine Gefährten von früher bereits auf ihn, um ihn einen entsprechenden Vorschlag zu unterbreiten, wie er seine finanzielle Lage ein bisschen aufbessern könnte. Er soll einen Smaragd an sich reißen. Blöd nur, dass Selbiger in einem Museum platziert ist. Also muss ein entsprechender Beutezug gestartet werden, der schöne Erinnerungen an Oceans Eleven wachruft, in grafischer Hinsicht aber auch für Freunde der gelungenen Reihe „RG“ interessant sein dürfte. Man verrät nicht zu viel, wenn man anmerkt, dass der Einbruch nicht ganz so läuft wie geplant. Die anschließende Wiederbeschaffung nimmt einen großen Teil der Geschichte ein, wobei „Hot Rock“ vor allem von seinen gewitzten Dialogen lebt. Selbige hauchen dem Plot ein ordentliches Maß an Tiefgang ein und sorgen dafür, dass man als Leser bis zum Ende bei der Stange bleibt. Alles in allem ist „Hot Rock“ eine kurzweilige, äußerst spannende Gaunermär, die Lust macht, sich die Geschichte hinterher noch mal in literarischer Form zu Gemüte führen möchte.
Wer sich gerne mal 120 Jahre in der Zeit zurückspulen möchte, der sollte zwischendurch mal in die Welt des „Albatros“ eintauchen. Die Geschichte um eine Gruppe durch geknallter Seevögel, welche eine winzige Hafenstadt in Angst und Schrecken versetzen, entfaltet einen bemerkenswerten Charme, der sowohl den Anhängern von Alice im Wunderland als auch Tim Burton-Fans ein Lächelns ins Gesicht zaubern sollte. Durch die Szenerie stolpert eine gewisse Ombeline, die sich just den Annäherungen des örtlichen Gouverneurs widersetzt und sich als blinder Passgier auf den fliegenden Vogel „Albatross“ rettet. Sie hat allerdings nicht mit der Rachlust des schmierigen Beamten gerechnet, der fortan alles daran setzt, dem fliegenden Piratenschiff, auf welchem sich die Angebetete befindet, die Bordwände zu durchlöchern. Die Geschichte des Debütanten Vincent lebt in diesem Zusammenhang von ihren melancholischen, prall ausgestatteten Szenerien, die schöne Erinnerungen an Streifen der Marke Moulin Rouge wachrufen. Die opulente Ausstattung verkommt in diesem Zusammenhang allerdings nicht zum bloßen Eyecatcher für eine kitschige Hintergrund-Geschichte, vielmehr versteht es der Schöpfer seine Protagonistin mit gehörigem Tiefgang auszustatten. So möchte man nach Genuss der knapp 50 Seiten sofort zu den beiden, weiteren Bänden greifen, die das hohe Niveau dieses Debüts hoffentlich zu halten vermögen.
„Unvergessene Zeiten“ ist bereits der zweite große Wurf des amerikanischen Comic-Zeichners Alex Robinson. Die Graphic Novel vermittelt ein ein Gefühl dafür, was wohl passieren würde, wenn Scott Pilgrim plötzlich in die 80er zurück transferiert würde. Die Geschichte umreist das Geschehen in einer typischen amerikanischen High School Anfang der 80er. Unser Protagonist wird unter Hypnose gesetzt und schlendert plötzlich wieder durch die Gänge seiner alten Penne. Dort muss er sich mit den typischen Demütigungen seiner schulischen Laufbahn auseinandersetzen, vor allem aber will er auf diese Weise seine Klimmstängel-Sucht bezwingen. Er begibt sich also auf die Suche nach dem Ursprung allen Übels und sieht sich plötzlich in den Körper seines jüngeren Ichs transformiert. In diesem Zusammenhang hat er nun die Möglichkeit, einige Dinge richtig zu stellen, was einerseits dazu führt, dass man als Leser aus dem Grinsen gar nicht mehr herauskommt, andererseits aber auch tiefgründig genug umgesetzt worden ist, dass man „Unvergessene Zeiten“ durchaus als gelungene Charakterstudie bezeichnen darf. All jene, die in den 80ern zur Schule gingen werden zudem mit einem gelungen Flashback in Sachen eigener Jugend belohnt, der mit zahlreichen Seitenhieben auf den damaligen Zeitgeist durchsetzt ist. Alles in allem ist Alex Robinsons Werk eine durchweg gelungene Zeitreise.
„Das Schmetterlingsnetzwerk“ ist derweil ein geheimbündiger Zusammenschluss aus Langfingern, welche strengen Regeln unterworfen sind. In dem Geheimbund sollte man lieber nicht aus der Reihe tanzen – die Konsequenzen könnten tödlich sein. Als zwei nichts-ahnende Diebe zufällig bei einem Streifzug auf einen fiesen Streifen stoßen, der einige Prostituierte zeigt, welche zu perversen Spielen gezwungen werden, stoßen sie die Tür zum „Schmetterlingsnetzwerk“ auf. Fortan machen sie sich daran, die Schöpfer des unsäglichen Streifens aufzuspüren und hinter die Geheimnisse eines gewissen Barons von Harcourd zu kommen. Wie Texter Corbeyran im Duett mit Schöpfer und Zeichner Cecil hier konsequent die Spannungsschraube nach oben kurbelt, um seine Leser dann mit ausgefeilten Charakteren in einen Bann zu ziehen, ist ganz große Kunst. Die komplette „Steampunk“-Gemeinde darf sich dieses Werk sofort ins Regal stellen. „Das Schmetterlingsnetzwerk“ dürfte unzähligen Autoren als Vorlage für ihre post-apokayptischen Geschichten gedient haben. Umso besser, dass der „Splitter“-Verlag die Geschichte von 1999 nun noch mal in drei hochwertigen Comic-Bänden auf den Markt wirft. Alle „Freakangels“-Anhänger sollten unbedingt mal reinschnuppern. Es lohnt sich.
Wer es derweil immer noch nicht fassen kann, dass der achten Season „24“ keine weitere Staffel folgen soll, der kann sich nun den passenden Ersatzstoff in Form des Comics „Human Target“ zu Gemüte führen. Die Geschichte dreht sich um einen gewissen Christopher Chance, der sich daran macht, als menschliche Zielscheibe durch die Weltgeschichte zu stolpern. Dass es die Geschichte nun auch auf die Mattscheibe schaffte, ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass „Human Target“ anfangs nur als kleiner Bonus-Teil der 70er Jahre-Reihe „Action Comics“ gedacht war, die sich vor allem mit Superman auseinander setzte. Im heiß ersehnten ersten Band der Reihe findet sich neben einer vierteiligen Mini-Serie auch die 2002er Geschichte „Final Cut“, wobei es vor allem der Mini-Serie von Schöpfer Peter Milligan (Hellblazer, Detective Dee, Batman) und dem inzwischen verstorbenen Zeichner Devin Biukovic (Star Wars) gelingt, ein bisschen tiefer ins Innenleben des Protagonisten einzudringen. Im Vordergrund stehen in diesem Zusammenhang immer die jeweiligen Aufträge, weshalb sich Chance im Laufe der Geschichten nicht nur mit einem Priester herumschlagen muss, dem allerhand Killer auf den Fersen sind, sondern auch um einen Hollywood Produzenten kümmern muss, dessen Sohn in die Hände eines Entführers geraten ist. Letztere wurde gestaltet von Javier Pulido (Amazing Spiderman), der zwar das hohe Niveau der Mini-Serie nicht zu halten vermag, was aber bisweilen auch am Hollywood-Ambiente liegen könnte, welches als Schauplatz für das inhaltliche Drama herzuhalten hat, was am Ende dazu führt, dass man sich als Leser leider nicht richtig in die Figuren hineinversetzen kann. Alles in allem macht der erste Band der „Vertigo“-Reihe aber dennoch Lust auf mehr. Wobei sich die Wartezeit durchaus mit der gelungenen, gleichnamigen TV-Serie überbrücken lässt, die inzwischen auch hierzulande zu sehen ist.
Dani Montero ist ein echter Tierfreund. Schon als Kind begeisterte er sich für die Protagonisten diverser Disney-Streifen und hat es neben seiner regulären Arbeit im Hotelgewerbe vor zwei Jahren endlich geschafft, sein erstes, eigenständiges Werk zu veröffentlichen. „Kein zurück“ umreist das Leben eines Menschen, der einen Schlussstrich zieht, um noch mal ganz von vorne anzufangen. Mit Sack und Pack kehrt er seinem alten Leben und der verdutzten Freundin den Rücken und macht sich mit seinem Hund Tobias auf, die große, weite Welt zu erkunden. Was folgt ist eine Art Selbstfindungstrip, dem es beinahe über die volle Distanz gelingt, die gängigen Klischees zu umschiffen. Was anfangs noch ziemlich sozial-romantisch anmutet, wird immer mehr zum Albtraum für das unzertrennliche Duo aus Mensch und Tier, die Situation spitzt sich zu, nachdem er von einigen Fremden gekidnapped wird, wobei es bemerkenswert ist, wie Montero hier galant den Sprung zwischen persönlichem Drama und Kriminalgeschichte meistert. Bleibt zu hoffen, dass wir in Zukunft noch weitere, gleichsam gelungene und unkonventionelle Geschichten des spanischen Karikaturisten und Figurenzeichners präsentiert bekommen.
Auf das Ende der Geschichte braucht man derweil bei der Trilogie „Fee“ nicht allzu lange zu warten. Im „Splitter“-Verlag wurde nämlich inzwischen eine Gesamtausgabe der drei Bände veröffentlicht, die einen in eine andere Umlaufbahn kicken. Die Geschichte dreht sich um einen sonderbaren Automatenbauer, der versucht ein Mischwesen aus Puppe und Roboter zu kreieren, um Selbiges dann in bester „Frankenstein“-Manier zum Leben zu erwecken. Während sein neuester Versuch namens „Jam“ erneut in die Hose gegangen zu sein scheint, wendet sich das Blatt schließlich doch noch. Der Junge beginnt, die Dinge zu hinterfragen. Mehr noch. Er scheint damit eine weitere Kreatur aus den Händen des Meisters zu infizieren: eine gewisse „Fee“. Wobei es gar nicht so sehr die Geschichte der Beiden ist, die einen als Leser fasziniert. Es ist das Universum, welches das verantwortlichen Trio Téhy, Tillier und Leclercq hier aus dem Ärmel schütteln. Die futuristische Gesellschaft hat sich nämlich zunehmend davon verabschiedet, an das Magische in der Welt zu glauben. Die Roboter dienen ihnen lediglich als helfende Hände, um die Räder ihrer durchstrukturierten Welt weiter am Laufen zu halten. Für das Extravagante und Sonderbare scheint in der Welt kein Platz mehr zu sein. Also ist die Geschichte von Jam und Fee auch als Aufruf zur Revolution zu verstehen. Es geht darum, wieder etwas zu fühlen. Es geht darum die leere Hülle mit etwas Leben anzufüllen. Kompromisslos wird dieser Gedanke zu Ende gedacht, wobei man sich am Ende vielleicht etwas mehr Tiefenschärfe bezüglich der beiden Lager gewünscht hätte. Die Trennlinien zwischen gut und böse scheinen hier doch allzu klar verteilt, um einen als Leser wirklich zum Nachdenken anzuregen. Alles in allem ist „Fee“ aber dennoch ein bemerkenswertes Fantasiegebilde, das gekonnt die Frage aufwirft, wer wir sind und vor allem: wie wir gerne sein wollen. Womit wir dann auch durch wären für heute. Lasst es euch gut gehen. Bis zum nächsten Strichcode.
// verfasst von Alexander Nickel-Hopfengart
UND WAS NUN?