mit neuer Musik von S.C.U.M., The Vegetable Orchestra, Apparat, Erasure, Naima Husseini, General Elektriks, Rea Garvey & Olivia Pedroli
// Wer sich gerne von nostalgischen 80er Jahre-Klängen umschmeicheln lässt, die produktionstechnisch in Richtung Zukunft schielen, kommt an der aktuellen Platte der Band S.C.U.M. nicht vorbei. „Again Into Eyes“ strahlt diesen typischen New Wave-Charme der Marke Editors und The Drums aus, wirkt aber im direkten Vergleich wesentlich experimentierfreudiger. Man merkt, dass die Gruppe vom Post Punk-Sound der damaligen Zeit tief ergriffen gewesen zu sein scheint, jedenfalls schleichen sich immer wieder Dissonanzen zwischen die melancholischen Tracks, die das Album über die volle Distanz spannend halten. Die Gruppe um vier Jungs und ein Mädel erteilt ihren Hörern mit dieser Scheibe eine Geschichtsstunde in Sachen Melancholie und macht gleichzeitig deutlich, wie die Zukunft von Acts wie Suede oder New Order aussehen könnte. S.C.U.M. zelebrieren ihren Mut zum Extrem und lassen ihre Songs auf eine niederschmetternde, futuristische Produktion prallen. Wer auf opulente Popmusik steht, sollte unbedingt mal reinhören. „Again Into Eyes“ ist ein äußerst spannendes Unterfangen.
// Etwas ganz Besonderes macht derweil das so genannte Vegetable Orchestra. Das Gemüseorchester spielt nur auf handgemachten Instrumenten, die noch dazu allesamt aus verschiedenen Gemüsesorten zusammengebastelt wurden. Das bedeutet nicht nur viel Arbeit für die Band (wenn man bedenkt, wie schnell das Zeug schimmelt), das ist auch ein gefundenes Fressen für Fans der Krautrock-Ära (und das nicht nur des Namens wegen). Die Scheibe „Onionnoise“ klingt als hätte jemand die alten Kollegen von Neu! wieder belebt und sie mit den Jungs von Bauchklang ins Studio geschubst. Die Songs sind mal tanzbar, mal experimentierfreudig arrangiert, so dass man am Ende am liebsten selbst mal mit so einer Karottenflöte herum lärmen möchte. Wer auf experimentelle Musik steht, der sollte sich diesen bunten Gemüse(Pop)Kasten auf keinen Fall entgehen lassen.
// Sascha Ring alias Apparat macht sich nach seinem Querschläger mit dem Duo Moderat nun endgültig daran zum Elektro-Liedermacher zu transformieren. Natürlich haben seine Songs immer noch einen elektronischen Unterbau, aber das aktuelle Album des Musikers kommt schon verdächtig nahe an die letzte Scheibe von Radiohead heran. „The Devil´s Walk“ ist ein Riesensprung nach vorne für den talentierten Musiker, der sich noch nie scheute, seinen Hang zum Experimentieren offen nach außen zu kehren. Im Gegensatz zum minimalistischen Ansatz eines James Blake scheint er sich in diesem Zusammenhang allerdings eher nach einer opulenten Umsetzung zu sehnen. Das funktioniert auch deshalb so gut, weil seine Songs trotzdem niemals in Stadion-Pop-Gefilde der Marke Coldplay abdriften. „The Devil´s Walk“ ist ein Dream-Pop-Album für Kopfhörerfreunde. Die unglaublich liebevolle Musik, die detailversessene Produktion – hier passt einfach alles zusammen. Wir fordern deshalb: Mehr davon, bitte. Diese zehn Songs sind einfach zu schnell vorbei.
// Und wenn die Kollegen von Erasure mal wieder ein neues Album aus dem Ärmel schütteln, dann ist das das lange Zeit vor allem ein gefundenes Fressen für Pop-Nostalgiker gewesen. Mit ihrem neuen Album „Tomorrow´s World“ macht sich die Band daran, wieder Anschluss an den Zeitgeist zu finden. Neun Songs sind dabei am Ende heraus gesprungen, allesamt von Produzent Frankmusik in Szene gesetzt und alle klingen sie ausnahmslos nach 2011. Natürlich ist nach wie vor der Erasure-typische Hedonismus spürbar, darüber hinaus gelingt es der Band aber auch für ein wohliges Bauchgefühl bei Hercules & Love Affair-Fans zu sorgen. In dieser Form ist durchaus wieder mit den Jungs zu rechnen, ob es nach vier Jahren Pause tatsächlich für eine Spitzenposition in den Charts reicht, muss das Duo allerdings erst noch unter Beweis stellen. Alles in allem: ein überaus zeitgenössisches Werk ohne Schnörkel.
// Naima Husseini hätte in diesem Jahr wahrscheinlich auch problemlos am Bundesvision Song Contest teilnehmen können. Mit ihren Deutsch-Pop-Melodien passt sie perfekt ins Raster der Veranstaltung. Darüber hinaus stand sie auch schon mit den Ting Tings und Kate Nash auf der Bühne und hat sich jetzt auch noch den renommierten Produzenten O.L.A.F. Opal angelacht, der bereits Alben von den Boxhamsters und den Sportfreunden in Szene setzte. Über die volle Distanz gelingt es der Musikerin auf ihrem aktuellen Album, sich vom Einheitsbrei der deutschsprachigen Pop-Szene abzusetzen. Ob sie sich langfristig eher für Auftritte mit Wir Sind Helden oder Silbermond empfiehlt, muss sich allerdings erst noch herausstellen. Alles in allem eine durchweg ordentliche Platte, der man den Enthusiasmus der Musikerin anmerkt.
// General Elektriks aus Frankreich hat sich in seiner Heimat bereits einen Namen gemacht. Über 50.000 Exemplare seines 2008er Albums gingen in Frankreich über den Ladentisch. Mit dem Nachfolger „Parker Street“ könnte er nun auch hierzulande für Aufsehen sorgen. Die Scheibe des Pigeon John-Produzenten besticht als aller Erstes mal dadurch, dass die Drums live eingekloppt wurden. Das sorgt für ein gehobenes Maß an Dynamik und dafür, dass man als Zuhörer einem musikalischen Trip in die 60er Jahre beiwohnen darf. Wer gleichsam auf die Zombies und diverse Motown-Vertreter steht, sollte unbedingt mal reinhören.
// Alle Fans der Band Reamonn müssen ab heute nicht länger traurig sein. Sänger Rea Garvey hat nämlich inzwischen ein Solo-Album am Start, das genau dort andockt, wo das letzte Werk seiner Hauptband aufhörte. Da sich Reamonn leider nach einem durchaus gelungenem Erstling immer mehr in Richtung Radiorock verabschiedeten, möchte der Funke auch bei „Can´t Stand The Silence“ nicht so recht überspringen. Zweifellos wird das neue Werk in höchste Chartregionen verstoßen – dafür sorgt schon die Breitwandproduktion der Scheibe – aber songtechnisch halten wir uns dann doch lieber an die Kollegen von Coldplay.
// Die Schweizer Musikerin Olivia Pedroli ist hierzulande noch nicht sonderlich bekannt. Mit ihrem Album „The Den“ könnte sich das schnurstracks ändern. Die Scheibe ist so ambitioniert arrangiert, dass sofort schöne Erinnerungen an die Kolleginnen von Gustav und CocoRosie wach werden. „The Den“ strotzt nur so vor ambitionierten Ideen. Es ist ein mutiges Werk, dem man anhört, dass hier eine echte Multi-Instrumentalistin am Werk gewesen ist. Die Scheibe ist so voll gestopft mit Ideen, dass man sich als Hörer auf den ersten Durchlauf noch etwas überfordert fühlt, nimmt man sich allerdings Zeit und gibt der Platte eine zweite Chance, schält sie Stück für Stück ihr innerstes nach außen. Wer auf hemmungslosen Pop der Marke Final Fantasy steht, sollte unbedingt mal reinhören. Und damit Schluss für heute. Bis zum nächsten Zuckerbeat.
UND WAS NUN?