mit neuer Musik von Smith & Burrows, The Black Keys, Samy Deluxe, The Roots, „Our Own Voices“, Hans Söllner, Jack´s Mannequin & Pianos Become The Teeth.
Weihnachten steht vor der Tür und alle Fans zeitgenössischen Brit-Pops dürfen sich in diesem Jahr über ein echtes Schmankerl freuen. Tom Smith aus dem Hause Editors und Andy Burrows von Razorlight / We Are Scientists haben sich nämlich unter dem Namen Smith & Burrows zusammengeschlossen und eine Weihnachtsscheibe mit Engelsflügeln eingespielt. Das Teil ist ausgebufft genug, um nicht im Ramschverkauf der Gefühle zu versanden und ramscht darüber hinaus recht gewieft an der Kitsch-Kiste vorbei. Am Ende ist man einfach nur hocherfreut, dass es scheinbar doch noch möglich ist, einen Himmel voller Geigen zu hängen, ohne sich dabei als Hörer fremd schämen zu müssen. „Funny Looking Angels“ ist mein persönliches Weihnachtsalbum des Jahres und stiehlt mit seiner Coverversion von „Wonderful Life“ ganz nebenbei auch den Kollegen von Seeed die Show. Spitzen wir also die Ohren zu zauberhaften Zeilen der Marke „I Ain´t Laughing, I Didn´t Hear The Joke Anyway“ und freuen uns auf ein Weihnachtsfest, dass sich von den gängigen Klischeevorstellungen abhebt.
Der heißeste Indie-Rock-Karren des Winters hört auf den Namen The Black Keys und hat eigentlich schon mehr als zehn Jahre auf dem Buckel. Das stört den Neueinsteiger allerdings wenig, denn spätestens wenn die aktuelle Single „Lonely Boy“ mit Nachtanz-Clip und Franz Ferdinand-Gedächtnisrefrain aus den Boxen ballert, folgt man nur zu gerne der Anweisung auf der Schutzhülle. „Play Loud“ prangert da auf silbernem Hintergrund und es ist schon bemerkenswert, wie die Jungs hier einen Streifzug durch die Rockgeschichte veranstalten, ohne dass man sie deshalb als Plagiatoren schmähen müsste. Alles auf diesem Album klingt genauso, wie es soll. Die Songs sind auf Tanzflächen-Modus gestutzt, was die zahlreichen Anhänger ihrer ruhigen Songs aber nicht verschrecken sollte. Zu Songs wie „Nova Baby“ und „Sister“ werden trotzdem die Tränen fließen. „El Camino“ füllt in diesem Zusammenhang (wie bereits mehrmals behauptet) zwar nicht die Lücke, welche die White Stripes in unseren Herzen hinterlassen haben. Dafür rumpelts auf diesem Album einfach nicht genug. Genau davon aber geht auch der Reiz dieser Scheibe aus. Die Black Keys schreiben tanzbare Rocksongs, die auch im Autoradio funktionieren. Eine Hymne nach der anderen. Elf an der Zahl. Bitte feiert dieses Duo dafür… und natürlich Produzent Danger Mouse, der zum wiederholten Mal hinter den Reglern Platz nahm und inzwischen fast als Teil der Stammbesetzung durchgehen dürfte.
Währenddessen ist es eigentlich unglaublich, dass Samy Deluxe auch 2011 immer noch sein Ding durchzieht und als (so ziemlich) letzter Überlebender des 2000er Hypes um deutschen HipHop mit klassischer Rapmusik auch heute noch Erfolge einheimst. Von Dendemann und Jan Delay mal abgesehen, hat es Samy unter anderem verstanden, sich spielend im gegenwärtigen Zeitgeschehen zu verorten. Nach seinem Stelldichein als Sänger auf seinem letzten Album, beschränkt er sich auf seinem aktuellen Album „SchwarzWeiss“ wieder auf das Wesentliche: soll heißen… er präsentiert uns amüsante, bisweilen auch tragische Geschichten aus dem Leben, haut in diesem Zusammenhang zwar weniger auf die Kacke als früher, sorgt aber trotzdem für hemmungsloses Kopfnicken bei den Fans. Man merkt Samy Deluxe an, dass er niemanden mehr etwas beweisen muss. Das wiederum wird bisweilen missverstanden als Genügsamkeit. Das Gegenteil aber ist der Fall. Samy perfektioniert auf diesem Album seinen Stil und weil er noch dazu eine ganze Reihe Tracks in der Hinterhand hält, erscheint nun eine aufgepäppelte Variante des Albums namens „SchwarzWeiss Up2Date“. Die sieben Tracks, die auf dem zweiten Silberling versammelt sind, stehen den 16 „Originalen“ in nichts nach. Der Kauf dürfte sich schon allein aufgrund des raptechnisches Feuerwerks „Reimemonster 2011“ rentieren. Da kommt derzeit eigentlich nur noch Kool Savas mit „Und dann kam Essah“ gegen an. Soll heißen: Mehr davon, bitte.
Womit wir auch gleich im HipHop-Bereich bleiben. Die Jungs von The Roots haben nämlich mal wieder ein neues Album am Start. „Undun“ heißt es und klingt nach dem klassischen Rap-Vorläufer wieder etwas wärmer und einladender, so dass sich auch die Pop-Gemeinde von Songs wie „Make My“ und dem Superhit „Make My“ angesprochen fühlen dürfte. Die zahlreichen Features von Dice Raw, K.R.I.T, Bilal Oliver, Greg Porn Phonte, Truck North und Sufjan Stevens machen zwar vor dem ersten Durchlauf ein bisschen Angst, dass die Scheibe stilistisch aus dem Ruder laufen könnte. „Undun“ funktioniert aber trotzdem als schlüssiges Gesamtwerk, weil sich die Gäste immer dem entspannten Groove der sprachverliebten Protagonisten unterordnen. Äußerst bemerkenswert ist auch die zweite Hälfte der Scheibe, die als astreines „Score“ konzipiert ist. Im Rahmen der „Redford Suite“ werden den Hörern imposante Jazz- und Piano-Passagen um die Ohren gehauen. Da dürften selbst Fans des leider viel zu früh verstorbenen J Dilla vor Freude im Kreis springen. Ein unerwartet zauberhaftes HipHop-Werk einer der besten Rap-„Bands“ der Gegenwart.
Die vierte Ausgabe des „Trikont“-Label-Samplers „Our Own Voices“ umfasst in der Zwischenzeit zwei randvolle Scheiben, die einen guten Eindruck davon vermitteln, was diese Plattenfirma seit jeher auszeichnet: es ist der Mut zum Risiko auch mal musikalischen Grenzgängern eine Chance zu geben. So darf man nun miterleben, wie Attwenger („Shakin My Brain“) und LaBrassBanda („Des konnst glam“) eine Bierzeltgaudi im Indie-Schuppen veranstalten. Es kommt zu einem freudigen, eigentlich nicht mehr für möglich gehaltenen, Wiedersehen mit Kinderzimmer Productions („Sie kriegen uns nie“). Es befinden sich aber auch sympathische Gaudi-Kapellen wie Neigungsgruppe Sex, Gewalt & Gute Laune („Irgendwos is immer“) unter den Anwesenden. Ebenfalls am Start sind Jill Scott, Rotfront, Die Zukunft und Embryo. Da ist am Ende wirklich für jeden was dabei. Sogar Hans Söllner darf mal ran…
… und schüttelt gleich hinterher ein neues Werk aus dem Ärmel, der aus bereits bekanntem Material besteht. Hans Söllner hat sich allerdings dazu entschlossen, seinen altbewährten Stücken ein neues Outfit zu verpassen und so könnte es diesmal tatsächlich passieren, dass auch konsequente Alpen-Reggae-Verweigerer auf den Geschmack kommen. „Mei Zuastand“ ist das Paradebeispiel für einen musikalischen Rhythmuswechsel. Das macht die Scheibe nicht nur für alte Fans interessant – sie bekommen nach vier Jahren Ungewissheit zumindest neue Varianten von Songs präsentiert – es macht vor allem deutlich, welches Potenzial noch immer in diesem Künstler schlummert. Da kann er auf seinen Konzerten noch so oft erwähnen, dass schon alles gesagt sei. Wer mit 14 solchen Knallern um die Ecke biegt, braucht gar nicht erst anfangen, einen Antrag auf Frühverrentung zu stellen.
Geschlagene 13 Jahre hat es in der Zwischenzeit gedauert, bis man hierzulande endlich auf einen gewissen Andrew McMahon aufmerksam geworden ist. Der Klavierspieler und Liedermacher kann in seiner Heimat, den Vereinigten Staaten, bereits auf eine imposante Karriere als Musiker zurückblicken. Erste größere Erfolge heimste er mit seiner College-Rock-Band Something Corporate ein, die er 2006 auflöst, um drei Jahre später einen zweiten Anlauf in Richtung Charthimmel zu starten. Nebenher betreibt er auch noch sein Liedermacher-Projekt Jack´s Mannequin, mit welchem er ebenfalls in Alternative-Rock-Gefilden unterwegs ist. Musikalisch lässt sich in diesem Zusammenhang sagen: Seit dem Erstling von Scouting For Girls ist wahrscheinlich keine schöneres Piano-Pop-Album mehr veröffentlicht worden, als dieses hier. „People And Things“ nennt sich das bereits dritte Werk des Künstlers, der nun Dank seiner Plattenfirma „Warner“ auch hierzulande für Aufsehen sorgen könnte. Man hat sich nämlich dazu entschieden sein neues Album auch in Deutschland zu veröffentlichen und selbst, wenn die ersten beiden Alben von Jack´s Mannequin noch eine klitzekleine Spur heller schienen, als dieses hier: für jeden Neueinsteiger ist es ein Fest, zum ersten Mal Songs wie das hymnische „Release Me“ oder das tanzbare „People, Running“ vor den Latz geknallt zu bekommen. Zu diesen Melodien wird jedes Raubtier zum Schmusekater. „People And Things“ ist das eindringlichste Alternative-Album des Winters. Den Back-Katalog von Jack´s Mannequin (und Something Coroporate) könnt ihr im Rausch der Emotionen übrigens gleich nachbestellen. Es lohnt sich.
Lediglich acht Songs befinden sich auf dem aktuellen Album der Post-Hardcore-Crew Pianos Become The Teeth – die aber haben es in sich. Zu diesen Knallbonbons dürften sich auf der Stelle alle Fans von At The Drive-In und Grade zum Moshen verabreden. „The Lack Long After“ versammelt wütende Gitarrenrock-Bretter einer überaus hungrigen Band, der man über die volle Distanz anmerkt, dass der Scheiß einfach aus ihnen herausmusste. Dass zwischenzeitlich auch mal auf die Bremse getreten wird, sorgt für Dynamik und verschafft einem nach dem brachialen Auftakt ein wenig Zeit zum Luftholen. Man sollte sich allerdings nie zu sicher fühlen. Ähnlich wie die Kollegen von McLusky überraschen einen Pianos Become The Teeth gerne einmal mit überraschenden Knüppeln, die sie ihren atmosphärischen Passagen zwischen die Beine werfen. Dass die Band dabei nicht ins Stolpern gerät, ist bemerkenswert. Da stört es am Ende auch nicht onderlich, dass die Laufzeit so kurz ist. Nach diesen acht Songs ist man sowieso fix und fertig. Und damit Schluss für heute. Bis zum nächsten Zuckerbeat.
UND WAS NUN?