mit neuen Büchern von Hans Fallada, Florian Felix Weyh, Jochen Schimmang, Cory Doctorow & „Cool Camping Europe“.
// „Wer einmal aus dem Blechnapf frisst“, der wird auch wieder aus dem Blechnapf fressen. So lautet die gängige Meinung in Falladas Deutschland der 20er Jahre und auch heute noch halten viele an diesem Standpunkt fest (auch viele Häftlinge selbst). Will sagen wer einmal in Haft sitzt, wie der Protagonist Wilhelm (Willi) Kuflat, der wird es „draußen“ mit großer Sicherheit nicht mehr schaffen. Der weltbekannte Autor Hans Fallada (1893 – 1947), der mit richtigen Namen Rudolf (Wilhelm Friedrich) Ditzen heißt, kennt das Milieu, über das er schreibt, aus eigener Erfahrung.
Schließlich saß er selbst einst wegen Unterschlagung im Gefängnis. Und diese Tatsache ist nicht die einzige Übereinstimmung mit seinem eigenen Leben. Als der gelernte Buchhalter, zuvor wegen Unterschlagung verurteilt, aus dem Knastalltag entlassen wird, versucht er seinen Lebensunterhalt mehr schlecht als recht in Hamburg als Adressenschreiber zu bestreiten. Jedoch läuft in Willi Kuflats Leben nichts wie geschmiert. Seine gelbliche Haut, seine neue Unsicherheit im Umgang mit Menschen und die Einsamkeit scheinen die Menschen immer wieder auf seine Vergangenheit aufmerksam zu machen. Als es ihm unmöglich wird, seine Tätigkeit als Adressschreiber in Hamburg weiter auszuüben – man könnte sagen, aus übersteigertem Ehrgeiz oder einfach nur aus Pech – zieht er in eine Kleinstadt. Hier verkauft er Zeitungsinserate und Abonnements und wägt sich tatsächlich in einem bürgerlichen Leben mit geregelter Arbeit und Familie. Nachdem ihn die Polizei eines Diebstahls bezichtigt hat, muss er allerdings die Stadt verlassen und kehrt zurück nach Hamburg, wo er wieder auf alte Bekannte trifft … Falladas Roman wurde 1934 mit Hilfe des Verlegers Ernst Rowohlt veröffentlicht, bis es kurz darauf von den Nazis auf die schwarze Liste gesetzt wurde. Ab 1945 durfte das Buch wieder gedruckt werden und wurde 1962 verfilmt. Wer mehr aus der Feder (genau genommen der Schreibmaschine) Falladas lesen möchte, sollte sich unbedingt auch die beiden Bestseller „Kleiner Mann was nun“ und „Jeder stirbt für sich allein“ zu Gemüte führen // (verfasst von K. Reschke).
// Das Digitale hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren schrittweise in unserem Alltag geschlichen. Wie abhängig wir inzwischen vom Internet geworden sind, wird immer wieder merklich, wenn Facebook gerade mal nicht funktioniert oder die Interneteinträge von Wikipedia für 24 Stunden nicht erreichbar sind. Der Dürener Autor Florian Felix Weyh hat einen packenden Zukunfts- oder vielleicht doch besser Gegenwartsroman darüber geschrieben, was passiert, wenn die Fangarme des World Wide Web das reale Leben zu umschlingen gedenken. „Toggle“ nennt sich sein Werk, dessen Titel eindeutig zweideutig zu verstehen ist. Weyhs Roman wirft die Frage auf, was eigentlich passiert, wenn jede Information jederzeit verfügbar ist und dadurch wirtschaftliche Interessen geweckt werden. Es ist ein äußerst schlauer Schachzug des Autors mit Nikolaus Holzwanger einen Protagonisten zu präsentieren, der eine ambivalente Einstellung zu der ganzen Materie an den Tag legt. Der gewiefte Kerl ist gerade zum Deutschlandchef des Konzerns „Toggle“ ernannt worden. Darauf angelegt hat er es nicht, aber passiert ist es trotzdem. Statt sich aber über sein unverhofftes Glück zu freuen, schleichen sich schon nach kurzer Zeit ein paar Zweifel bei ihm ein. Schließlich ist seine Vorgängerin erst vor kurzem unter zwielichtigen Umständen ums Leben gekommen. Und der Konzern, dessen Logo da auf seiner Stirn prangert, bringt auch noch eine ganze Menge Pressereporter und Datenschützer gegen sich auf. Kritisiert wird in diesem Zusammenhang vor allem der unermessliche Wissensdurst des Unternehmens… was wiederum Holzwangers Neugier weckt. Er versucht nämlich fortan selbst ein bisschen Licht ins Dunkel zu bringen. Zusammen mit seiner Familie macht er sich auf, die mysteriösen Umstände um den Tod seiner Vorgängerin aufzuklären. Das wiederum ruft einige zwielichtige Gestalten auf den Plan und noch bevor er sich versieht, steckt er auch schon mittendrin im Schlamassel. Was das Ganze mit russischen Oligarchen zu tun hat. Und warum in diesem Zusammenhang auch noch das Konkurrenzunternehmen „Myface“ eine gewichtige Rolle spielt. Am besten du findest es selbst heraus.
// Und wo wir gerade ein bisschen in unserer eigenen Vorstellung von der Zukunft der Menschheit verharren, kommt uns der aktuelle Roman von Jochen Schimmang gerade recht. „Neue Mitte“ spult uns als Leser ins Jahr 2029. Die Aussichten diesbezüglich sind trist. Es kam nämlich zum Putsch eines Bundeswehrgenerals, was dazu führte, dass dessen Partei namens „Nationale Moderne“ gegründet wird. Nach neun Jahren Schreckensherrschaft wird Deutschland nun wieder von den Alliierten verwaltet. Wobei sich Schimmang den rhetorischen Kniff erlaubt, diverse Elemente unserer Vergangenheit kurzerhand in ein hypothetisches Zukunftsszenario zu überführen. Da ist es fast schon schade, dass die Handlung über die volle Distanz doch relativ vorhersehbar geraten ist und so manche Figur gegen Ende ein doch relativ ernüchterndes Gesamtbild abgibt. All jene, die seinen Roman „Das Beste, was wir hatten“ gelesen haben, werden trotzdem freudig feststellen, dass sein damaliger Protagonist auch diesmal eine gewichtige Rolle im Rahmen der Handlung spielt. So entspinnt sich eine Geschichte voller Querverweise um einen gewissen Ulrich Anders, der von Aachen nach Berlin kommt, um dort eine Bibliothek einzurichten. Die Anhänger des alten Unterdrücker-Regimes allerdings wollen das mit allen Mitteln verhindern. Weitere Putschversuche stehen bevor. Die alten U-Bahnschächte liefern in diesem Zusammenhang den perfekten Rückzugsort für die Terroristen. Abseits des Scheinwerferlichts formieren sie sich um dann wieder unvermittelt zuzuschlagen. In diesem Zusammenhang gelingt es Schimmang immer wieder Historisches im Rahmen eines Zukunftsromans zu umreißen ohne dass es irgendwie gewollt anmuten würde. Was am Ende auch dazu führt, dass wir „Neue Mitte“ trotz der tristen Charaktermerkmale einiger Figuren als insgesamt gelungen bezeichnen möchten.
// „For The Win“ ist währenddessen einer dieser Jugendromane, die auch für Erwachsene interessant sein dürften. Autor Cory Doctorow aus Toronto war bereits für die Veröffentlichung des Hacker-Schmökers „Little Brother“ verantwortlich und verdeutlichte in diesem Zusammenhang äußerst effektvoll, was passiert, wenn man sich mit den falschen Leuten anlegt. Im Mittelpunkt des Interesses steht bei Doctorow vor allem die Obrigkeit und das beängstigende an seinen Geschichten ist: der Protagonist könnte man selbst sein. „For The Win“ dreht sich vorwiegend um einen siebzehnjährigen Jungen aus Los Angeles, der sich den lieben, langen Tag in Online-Rollenspiele vertieft (wer jemanden kennt, der Spiele wie „World of Warcraft“ exzessiv zockt, kann sich wahrscheinlich ein Bild davon machen, welch immensen Einfluss solche Games auf den Spieler und sein näheres Umfeld haben, wenn sich das Ganze zur Sucht auswächst). Für Wei-Dong, so der Namen des Protagonisten, ist das Rollenspiel die einzige Möglichkeit, sich konstruktiv zu betätigen. Die Schule wird als öde empfunden, die Ansprüche der Eltern wirken überfordernd, da lädt der Computer geradezu dazu ein, sich in andere Welten zu transferieren. Blöderweise aber erwischen ihn seine Eltern bei einer nächtlichen Zocker-Runde und weil sie nicht wissen, wie sie dem Problem Herr werden können, drohen sie Wei-Dong ihn auf ein Internat zu schicken. Weil er mit der strickten Haltung der Eltern überhaupt nicht konform geht, sucht er kurzerhand das Weite und steht plötzlich einer mafiösen Organisation gegenüber, welche junge Spieler rekrutiert, um „virtuelle Schätze“ anzuhäufen. Für Wei-Dong ist klar: diesem ausbeuterischem Treiben muss ein Ende gesetzt werden. Und so verstrickt er sich in einen Kampf gegen eine übermächtige Organisation, um seine Ideale nicht zu verraten. Dem Autor gelingt es in diesem Zusammenhang sehr gut, die Gefühle der jungen Generation einzufangen, was schon deshalb bemerkenswert ist, weil Doctorow bereits das zarte Alter von 40 überschritten hat. Umso mehr möchte man diesen Roman allen jungen Menschen und auch Junggebliebenen ans Herz legen, die sich nur zu gerne mit dem Einfluss der digitalen Welt auf unser reales Leben auseinander setzen.
// Wer jetzt schon einmal die Sommerferien 2012 planen möchte, der sollte sich zuvor in eine schicke Filiale von „Zweitausendeins“ begeben. Anschließend gilt es den dort exklusiv erhältlichen Camper-Almanach „Cool Camping Europe“ aufzuspüren. Im Gegensatz zu den zahlreichen „Camping“-Führern, die einen nichts ahnend in schlimmste Ballermann-Gefilde führen, bekommt man hier einen kleinen, aber feinen Überblick über Campingplätze, die einen ganz besonderen Charme ausstrahlen. 80 sympathische Plätze in ganz Europa wurden genauer unter die Lupe genommen und am Ende allesamt persönlich von den Machern getestet. Schön beim Schmökern überkommt einen eine ungeheure Sehnsucht nach einem schnuckeligen Vergnügungstrip abseits des ganzen Touri-Tohuwabohus. Gleich zu Beginn werden einem als Leser die besten fünf Plätze vorgestellt, unter anderem ein nachhaltig bewirtschafteter Hort in Katalonien oder ein „Öko-Inselparadies“ in Holland, wo man zum selbständigen Gemüsepflücken animiert wird. Anschließend darf man sich auf jeweils vier Seiten nicht nur über persönlichen Impressionen in Form diverser Bilderserien freuen, sondern bekommt auch ausführliche Informationen zu den Besonderheiten vor Ort geliefert. Dass sich die Macher dazu durchgerungen haben, am Ende des jeweiligen Artikels doch noch mal in traditioneller „Campingführer“-Manier alle wichtigsten Informationen in Kurfassung zu bündeln, sorgt für Übersicht und macht Lust darauf, sofort mit Sack und Pack in die große, weite Welt aufzubrechen. Schade eigentlich, dass es gerade so kalt ist. Aber Vorfreude ist ja bekanntlich die größte Freude. Und damit Schluss für heute. Bis zum nächsten Mal.
UND WAS NUN?