mit neuen Büchern von Frank Schulz, Janne Teller, Giancarlo De Cataldo, Frank Goosen & Manfred Flügge.
// Eigentlich ist es ja nur eine Frage der Zeit gewesen, bis jemand eine Hymne auf den lässigen „Hartzer“ da draußen vom Stapel lässt. Politisch unkorrekt schlendert in Frank Schulzs neuen Roman ein gewisser Onno, seines Zeichens 50 Jahre jung und bekennender PingPong-Player, durch die Trümmer seiner Existenz. Weil ihm das Finanzamt im Nacken sitzt, entschließt er sich irgendwann seinen medial-eingeflüsterten Lebenstraum Privatdetektiv in die Tat umzusetzen.
Sein erster Fall spielt in diesem Zusammenhang, wie nicht anders zu erwarten, im Popmilieu. Ein gewisser Nick Dolan möchte, dass Onno seine Freundin beschattet. Und siehe da. Schon nach kurzer Zeit scheint sich alles zum Guten zu wenden. Onno erwischt die junge Dame nämlich wirklich mit einem anderen Kerl. Blöderweise aber ist der nicht gerade zierlich gebaut und auch mit „schlagkräftigen“ Kontakten in der Szene ausgestattet. Während Onno also versucht möglichst heil aus der ganzen Nummer raus zu kommen, schlittert er mit zunehmender Lauflänge nur noch tiefer ins Verderben. Ganz zum Vergnügen der Leser, die hier eine neue „Kult-Figur“ im Stil des „Big Lebowski“ präsentiert bekommen. Es würde mich am Ende jedenfalls nicht wundern, wenn „Onno Viets und der Irre vom Kiez“ noch ein paar charmant-schräge Fortsetzungen folgen würden. Die Hauptfigur ist einfach zu liebenswert, um sie bereits nach einer Folge schon wieder auf Abstellgleis zu schubsen.
// Mit ihrem bitterbösen Jugendbuch „Nichts“ hat sich Janne Teller tief in unsere Herzen getextet. Nun legt sie mit „Komm“ einen weiteren Roman vor, der sich auf knappen 158 Seiten mit dem Thema Sinnsuche beschäftigt. Das Werk dreht sich um einen Verleger, der kurz davor steht, das Werk eines bekannten Bestseller-Autors zu veröffentlichen. Kurz vor dem Release sucht ihn eine Bekannte namens Petra Vinter auf und bittet ihn, die Geschichte nicht zu veröffentlichen. Sie sagt, dass es in dem Roman um sie selbst ginge und sie nicht möchte, dass die Öffentlichkeit etwas von ihren persönlichen Erfahrungen erfährt. Der Verleger ist hin und hergerissen. Was soll er tun? Er beginnt sich mit seiner eigenen Vergangenheit auseinander zu setzen und sieht sich im Laufe der Geschichte mit der drängenden Frage konfrontiert: Wer bin ich? Und wer möchte ich sein? „`Du hast die Wahl´, hatte sie gesagt, ehe sie aufstand und ging“ – mit Sätzen wie diesem macht die Autorin aus Kopenhagen gleich zu Beginn deutlich, dass hier kein Kompromiss zu finden sein wird. Die Situation erfordert ein einfach „ja“ oder ein „nein“. Eine Entscheidung wird erwartet und die wird Folgen für alle Beteiligten haben. Taller konfrontiert auf diese Weise auch den Leser mit der Frage, an welcher Stelle sein Verantwortungsbereich endet und wo er beginnt. Sie nimmt ihren Leser in die Pflicht, indem sie ihn zwingt sich in die Rolle des Verlegers hinzuversetzen. Soll heißen: Der Autorin ist mit „Komm“ ein ebenso packender wie intelligenter Roman geglückt, der einen noch lange nach dem ersten Durchlesen in Erinnerung bleibt.
// Der Gangsterroman “Romanzo Criminale” beleuchtet die wahre Geschichte einiger Jugendlicher Anfang 20, die in Rom Ende der 70er Jahre eine kriminelle Vereinigung (die Magliana-Bande) aufbauen. Das 570-seitige Werk von Giancarlo De Cataldo ist unglaublich. Der Jurist und Autor zahlloser Romane, Erzählungen und Drehbücher ist für sein Mammut-Werk mit zahlreichen nationalen und internationalen Preisen überhäuft worden. Die zahlreichen Dialoge machen die Story rasant und lassen die Geschichte authentisch wirken. Das anfängliche Mitgefühl mit den bettelarmen und desillusionierten Jugendlichen weicht, je reicher und erfolgreicher sie werden, dem blanken Entsetzen über deren Taten. Ausgangspunkt des Erfolgs der Bande ist die Entführung eines Barons und die Idee eines der Mitglieder, das Lösegeld nicht für Drogen und Huren auszugeben, sondern zu re-investieren. Mit der Gemeinschaftskasse sollen immer größere „Projekte“ finanziert werden. Die Gruppe verwaltet sich nach den Regeln der Mafia, verzichtet allerdings auf mystische Aufnahmerituale. Mit roher Gewalt, jugendlichem Leichtsinn und viel Glück reißt sich die Gruppe unter der Führung von Libanese, Freddo und Dandi erst den Drogenhandel und später die Prostitution und das Glücksspiel der Stadt unter den Nagel. Allerdings haben sie einen Gegenspieler, der ihnen schon relativ früh auf den Fersen ist: ein gewisser Inspectore Scialoja. Das Buch endet im Jahre 1992 – wie es ausgeht, solltet ihr am Besten selbst nachlesen. Für reichlich Spannung ist gesorgt. Alternativ könnt ihr auch auf die Mattscheibe starren: 2005 erschien nämlich ein Kinofilm zum Buch – ein sehr gelungener Streifen irgendwo zwischen dem Paten, Blow und 1000 Schritte. Leider hierzulande nur als Import in OMU und mit verkürzter Handlung erhältlich. Außerdem wurde die Geschichte 2008 von Sky Channel in eine wirklich gelungene Serie überführt, die in Kürze auch hierzulande im Bezahlfernsehen laufen wird. (verfasst von K. Reschke)
// Der Schriftsteller und Kolumnist Frank Goosen dürfte vielen Lesern noch aufgrund des sympathischen Schmökers „Radio Heimat“ ein Begriff sein. Sein aktuelles Buch „Sommerfest“ beschäftig sich mit einem Kerl namens Stefan, der zurück in die alte Heimat muss, um nach dem Tod seines Onkels Herrmann die Familienbesitztümer abzustoßen. Gleich von Anfang an gilt die Devise: nur schnell wieder weg da. Zwei Tage sind geplant. Einige Termine wahrzunehmen, ein paar Leute zu treffen und dann soll´s auch schon wieder zurück nach München gehen. Aus dem Unterfangen wird aber leider nichts. Auf der A40 ist nämlich die komplette Fahrbahn gesperrt und Frank sitzt plötzlich in der eigenen Vergangenheit fest. Was folgt, sollte klar sein: alte Geschichten werden neu aufgerollt, die Verflossene kommt um die Ecke gebogen und mit der Zeit merkt Stefan, wie sehr ihm das alles fehlt. So austauschbar das Ganze jetzt klingt, ist der Schmöker aber keineswegs. Goosen versucht die klassischen Klischeefallen gekonnt zu umschiffen und steuert geradewegs in die Herzen seines Publikums. Das gelingt ihm durch zahlreiche Pointen, die wie die Faust aufs Auge passen und dem Leser immer wieder ein sanftes Schmunzeln abringen. Wer von zuhause ausgezogen ist und hin und wieder von nostalgischen Gefühlen bezüglich der alten Heimat geplagt wird, sollte unbedingt mal reinlesen. „Sommerfest“ ist ein äußerst kurzweiliger, aber überaus witziger Zeitvertreib.
// Über Stéphanes Hessels Streitschrift „Empört euch!“ wurde in aller Welt viel geredet. Mit seinen Worten traf der 94jährige den Nerv einer ganzen Generation, die sich nicht mehr damit abfinden wollte, dass die Güter auf diesem Planeten so ungerecht verteilt sind. „Stéphane Hessel“ war einst ein angesehener Diplomat und kämpfte in der französischen Résistance. Mit seiner Streitschrift „Empört euch!“ hat er das wahrscheinlich wichtigste Werk zu den Demonstrationen verfasst, welche derzeit in vielen europäischen und arabischen Städten stattfinden. Auf knapp zwanzig Seiten macht der 93jährige deutlich, was seiner Meinung nach schief läuft in unserer Gesellschaft. Sein Text packt einen, er rüttelt einen durch. Er ruft dazu auf, das Geld, das zur Verfügung steht, besser zu verteilen. Er kreidet an, dass die privatisierten Banken das Wohl der Gesellschaft aus den Augen verlieren. Er kreidet an, dass Politiker das zulassen. Er begehrt auf gegen die Gleichgültigkeit, die sich vielerorts eingeschlichen hat. Er zeigt auf, wie man als Einzelner das Gefühl der eigenen Machtlosigkeit überwinden kann. Er fordert Engagement. Er verlangt den Menschen ab, sich die Welt anzuschauen und ihrer Empörung über Missstände freien Lauf zu lassen. Er möchte, dass man sich konkrete Dinge herauspickt, die man ändern möchte. Getreu dem Motto: „Neues schaffen heißt Widerstand leisten. Widerstand leisten heißt Neues schaffen“, so Hessel. In der nun vorliegenden Biografie „Ein glücklicher Rebell“, welche ein Geleitwort des Protagonisten beinhaltet, setzt sich der geschichtskundige Autor Manfred Flügge mit dem Menschen Hessel selbst auseinander und zeigt auf, wie es passieren konnte, dass ein 93jähriger nochmal zum Widerstandskämpfer für eine bessere Welt avanciert. Der Autor selbst hat Hessel bereits vor über 30 Jahren kennengelernt und bereits an einer Dokumentation über ihn mitgewirkt. Er erzählt davon, wie Hessel die Gewaltherrschaft der Nazis überlebte und sich anschließend für die Menschenrechte einsetzte. Die persönlichen Passagen vermitteln einen interessanten Eindruck von der Persönlichkeit eines bemerkenswerten Menschen, der fordert, was selbstverständlich sein sollte: Gerechtigkeit. Und damit Schluss für heute. Bis zum nächsten Mal.
UND WAS NUN?