mit den Bänden „Powers“, „Omni-Visibilis“, „Hotze“, „Wild Life“, „Patchwork“, „Zombies“, „FVZA“, „A God Somewhere“ und „Spoon & White“.
// Siehe da, es gibt doch tatsächlich noch Superhelden-Comics, bei denen es sich lohnt, sie zu lesen. „Powers“ ist so ein Fall. Die Geschichte dreht sich um den Mord an einer Superheldin namens „Retro Girl“. Ein gewisser Detective Walker wird auf den Fall angesetzt und muss die Hintergründe der schockierenden Tat aufdecken. Zusammen mit seiner Partnerin Deena Pilgrim macht er sich daran, das Umfeld des prominenten Opfers zu durchleuchten.
Die Spurensuche konfrontiert den gewieften Polizisten allerdings mit seiner eigenen Vergangenheit (Vorsicht Spoiler!). Er war nämlich selbst einst als Superheld aktiv und verfügt in diesem Zusammenhang auch noch über zahlreiche Kontakte in der Szene. Im Rahmen der Handlung wird er auf diese Weise vor die schwerwiegende Entscheidung gestellt, ob er sein eigenes, wohl behütetes Geheimnis für die Lösung des Falles preiszugeben bereit ist. Dem Comic Autoren Brian Michael Bendis gelingt es zusammen mit Zeichner Michael Abon Oeming eine eigenwillige, äußerst düstere Atmosphäre zu kreieren, die der Geschichte völlig zurecht den „Eisner Award“ in der Rubrik „Beste neue Serie“ einbrachte. Die tiefgründigen Protagonisten, ein grüblerischer Detektiv und dessen freche Partnerin, wurden sehr galubwürdig in Szene gesetzt und sorgen so für zahlreiche A-Ha-Effekte beim Leser. Die Dialoge zwischen den Beiden strotzen nur so vor Charme. Und die zahlreichen Superhelden (oder Superschurken), die im Rahmen der Handlung zum Vorschein kommen, sind so schrecklich schön schräg, dass man sich wünschen würde, sie würden die gegenwärtige Comic-Landschaft mal ordentlich umkrempeln und so mache Superhelden-Ikone von ihrem Thron stoßen.
// Einen ebenfalls interessanten Ansatz verfolgt die Graphic Novel „Omni-Visibilis“, welche in diesen Tagen im „Eckart Schott Verlag“ („Salleck Publications“) erscheint. Die Geschichte von Lewis Trondheim und Matthieu Bonhomme beschreibt, was passieren würde, wenn auf einmal alle Gedanken des Anderen frei zugänglich wären. Im Rahmen des Buches geschieht Selbiges einem Angestellten namens Hervé, der sich plötzlich damit konfrontiert sieht, dass alle um ihn herum wissen, was er gerade denkt. Sei geregeltes Leben entwickelt sich darauf zu einer Horrorshow, die keine Privatsphäre mehr zulässt. Jeder Versuch des Protagonisten, sein altes Leben zurückzubekommen, scheitert. Stattdessen verfolgen ihn reihenweise fremde Menschen auf den Straßen und erzählen ihm die intimsten Geheimnisse seiner selbst. In diesem Zusammenhang werden zudem bestimmte Motive des Films „Being John Malkovich“ auf die Geschichte transferiert, denn auf einmal möchte jeder ein Stück von Hervé abhaben und dessen Gabe zu seinem eigenen Vorteil nutzen. In diesem Zusammenhang funktioniert „Omni-Visibilis“ auch als kritischer Beitrag zum Thema Datenschutz. Was passiert, wenn irgendwann alle Menschen alles von einem wissen? Kann das überhaupt funktionieren? Würde man dabei nicht vollkommen verrückt werden? Lewis Trondheim und Matthieu Bonhomme bringen einen mit ihrer Geschichte zum Nachdenken und rufen in ästhetischer Hinsicht schöne Erinnerungen an die wunderbare Graphic Novel „Asterios Polyp“ von David Mazzuchelli wach. Alles in allem ist „Omni-Visibilis“ einer der Graphic Novel-Geheimtipps des Frühjahr, den ihr euch auf keinen Fall entgehen lassen solltet.
// In der Zwischenzeit möchten wir alle Tanzwütigen unter euch auf zwei gelungene Veröffentlichungen des Duos Bringmann & Kopetzki hinweisen, die sich augenzwinkernd mit dem Treiben in den angesagten Clubs des Landes auseinander setzen. In „Wild Life – Body Language“ bringen sie so manche absurde Club-Situation augenzwinkernd auf den Punkt. Der Comic versammelt zahlreiche Illustrationen aus den vergangenen Jahren, die unter anderem im Magazin „Raveline“ veröffentlicht wurden. Wenn plötzlich über die Qualität der Toiletten philosophiert wird oder sich Menschen zu „Drei Tage Schach“ auf dem Campingplatz des naheliegenden Festival-Areals verabreden, dann strotzt das nur so vor Seitenhieben auf den gegenwärtigen Zeitgeist. Man kommt überhaupt nicht mehr aus dem Schmunzeln heraus, so viele Querverweise auf die Popkultur finden sich in diesem Sammelsurium der Kuriositäten. Wem das dann immer noch nicht reicht, der sollte sich ergänzend auch noch das Comic-Album „Für eine Handvoll Party“ von unserem geliebten Techno-Paten „Hotze“ ins Regal stellen. In zahlreichen Kurzepisoden und jeweils auf zwei Seiten verteilt bescheren uns der Berliner Karl Valentin Kopetzki und der Kasseler Jens Bringmann zahlreiche Eindrücke aus dem Leben des gleichnamigen Protagonisten, welcher nicht nur in einem Plattenladen arbeitet, sondern auch als DJ tätig ist. Im Laufe der Zeit entscheidet sich Hotze mit seinem Kumpels einen eigenen Club namens „Pussy Galore“ zu eröffnen. Für eine chaotische Ausgangsposition ist also gesorgt. Darüber hinaus trifft man als Leser auf einige durchgeknallte Weggefährten Hotzes, zum Beispiel dessen Kumpel Kralle, der so heißt, weil er sich beim Konsumieren von Speed eine steife Hand zugezogen hat. Die Reihe selbst wird regelmäßig auch in der Musikzeitschrift „Groove“ abgedruckt und hat inzwischen eine breite Fangemeinde um sich geschart. Während „Wild Life“ für jeden problemlos zugänglich ist, muss man sich bei „Hotze“ erst einmal in die Geschichte hinein arbeiten. Hat man sich aber erst einmal zu recht gefunden und die einzelnen, schrägen Charakteren genauer unter die Lupe genommen, kommt man aus dem Grinsen gar nicht mehr heraus.
// Frankenstein lässt derweil grüßen in der aktuellen Graphic Novel von der studierten Architektin Katharina Greve, welche ihre Comic-Strips auch hin und wieder im „Titanic“-Magazin veröffentlicht. In ihrer Novelle „Patchwork“ dreht sich alles um eine bereits etwas ältere Doktorin namens Linda Waldbeck, die sich kurz vor dem Rentenalter dazu entschließt, eine Familie zu gründen. Als renommierte Transplantationsforscherin hat sie ihre Privatleben immer der Karriere untergeordnet und jetzt fühlt sie sich auf einmal schrecklich einsam. Weil es allerdings bereits zu spät ist, um auf natürlichem Wege ein Kind zu gebären, macht sie sich daran, sich in bester Frankenstein-Manier selbst eins zusammen zu basteln. Die wichtigsten Einzelteile liegen schließlich noch in ihrem Büro verstreut. Was die breite Öffentlichkeit dazu sagt? Am besten man findet es selbst heraus. Katharina Greve versteht es auf gekonnte Art und Weise die Erwartungen und Wünsche unserer Gesellschaft auf Papier zu transferieren und ihre Protagonistin in diesem Zusammenhang trotzdem nicht als verrückte Karikatur einer vereinsamten Person zu inszenieren. Stattdessen haucht sie ihrer Hauptfigur eine gehörige Portion Tiefgang ein und lässt sie die gesellschaftlichen Konsequenzen ihres Handelns auf drastische Weise erfahren. „Frau Doktor Waldbeck näht sich eine Familie“ ist alles in allem ein äußerst skurriles Werk, welches einerseits nachdenklich stimmt, andererseits aber vor allem die Frage aufwirft, wie viel Einsamkeit ein Mensch erdulden kann, bevor er daran zu Grunde geht.
// Nachdem wir im Rahmen des „Strichcodes“ bereits auf den ersten Band der Reihe „Zombies“ hingewiesen haben, können wir euch jetzt freudig mitteilen, dass nun auch der zweite Streich im Laden steht (Band 0 und Band 3 sind in Vorbereitung). Die Geschichte selbst schafft es zwar nicht die Intensität des epischen Zwillings „The Walking Dead“ zu erreichen (was schon allein an der bisher noch sehr kurzen Lauflänge liegt), sie bringt den Leser aber dennoch ins Grübeln. Nach dem beängstigenden Finale des ersten Bandes scheint jegliche Hoffnung verwirkt. Band 2 nimmt den Ball wieder auf und startet gleich auf Seite eins mit dem vielsagenden Satz: „Das Schlimmste, wenn man das Ende der Welt überlebt, ist es, ein zweites Mal zu überleben“. Und so schlendert unser Protagonist anfangs noch vollkommen desillusioniert und ziellos durch die Ruinen unserer Gesellschaft, bis plötzlich wieder ein kleines Licht am Horizont aufblitzt. „Von der Kürze des Lebens“ aus der Feder Sophian Cholets in Zusammenarbeit mit Kolorist Simon Champelovier und Texter Olivier Peru gelingt es die Fassungslosigkeit der Menschheit gekonnt in Szene zu setzen, welche sich einstellt, wenn das Leben selbst plötzlich nicht mehr lebenswert erscheint. Wie lebende Tote wandeln die meisten der Protagonisten durch die Welt und stehen den Zombies auf den Straßen damit näher als ihrem früheren Selbst. Es gilt nur noch irgendwie den Tag zu überleben. In diesem Zusammenhang stehen in „Von der Kürze des Lebens“ auch nicht die gewalttätigen, sondern die zwischenmenschlichen Aspekte im Vordergrund. Eine äußerst gelungene Fortsetzung.
// Eine weitere Geschichte, die sich ebenfalls auf interessante Weise mit dem Thema „Zombies“ auseinandersetzt, erscheint in diesen Monaten ebenfalls beim „Splitter“-Verlag. „FVZA – Federal Vampire And Zombie Agency“ beschäftigt sich in diesem Zusammenhang allerdings nicht nur, wie der Titel es bereits andeutet, mit den gefräsigen Zeitgenossen aus der Unterwelt, sondern auch mit ihren bissigen Kollegen aus dem Reich der Vampire. Im Rahmen des Buches wird die Geschichte des Zombie-Virus noch einmal neu aufgerollt. Gleich auf der ersten Seite heißt es: „Das ist das Ende“ und eine junge Frau mit einer Waffe muss eine wegweisende Entscheidung für ihr Leben treffen. Wird sie abdrücken und ihren Großvater erschießen? Der Leser wird in diesem Zusammenhang natürlich erst noch ein bisschen auf die Folter gespannt. Stattdessen macht die Geschichte einen Schlenker in Richtung Vergangenheit und beginnt die Hintergründe des Ganzen zu beleuchten. Ein gewisser Hugo Pecos, selbst einmal Leiter der „FVZA“, verbringt seinen wohl verdienten Ruhestand zusammen mit seinen beiden Enkeln, als er plötzlich wieder als Berater und Ausbilder zur gerade erst wieder neu eröffneten Agency hinzugezogen wird. Der Grund: Mehrere Vampire wollen in den USA ein Zombie-Virus freisetzen und damit die Menschheit vernichten. Während die Geschichte im Original aus drei Bänden besteht, wurden Selbige in der Neuauflage des Werks in einem Band zusammengefasst. Texter David Hine gelingt es zusammen mit den Zeichnern Roy Allen Martinez und Wayne Nichols eine beängstigende Atmosphäre zu kreieren, die in ästhetischer Hinsicht ein wenig an die Splatter-Persiflage „Hack/Slash“ erinnert, ohne allerdings das Genre selbst auf die Schippe zu nehmen. Interessant dürfte es in diesem Zusammenhang sein, dass es bereits seit Jahren eine gleichnamige Homepage gibt, die sich daran macht, die reale Weltgeschichte mit zahlreichen, übernatürlichen Passagen aufzupäppeln. Da lohnt es sich mal rein zu klicken.
// Interessant ist auch der Ansatz, den die Geschichte „A God Somehwere“ verfolgt. Mike Mignola, der Schöpfer von „Hellboy“, sagt über den Comic, er wäre „die menschlichste Version der Geschichte eines Superhelden, die ich je gesehen habe“. Und zugegeben: „A God Somewhere“ ist ein bemerkenswertes Buch. Es beschreibt nämlich die Verwandlung eines Menschen in einen Superhelden. Es beschreibt die Auswirkung seiner Veränderungen auf seine Umgebung. Es zeigt auf, wie sich die Psyche des Protagonisten verändert, nachdem er mit zahlreichen Superkräften ausgestattet worden ist. Es zeigt seine Entfremdung von seiner direkten Umwelt, die ihn plötzlich immer weniger als Menschen, sondern als Sonderling wahrnimmt. Mit dem Buch führen die beiden Schöpfer ihren Lesern die skeptischen Blicke der Menschen vor Augen, wenn sie sich mit etwas konfrontiert sehen, was ihnen bisher fremd gewesen ist. Wie soll man sich gegenüber jemandem verhalten, von dem man im schlimmsten Fall noch nicht einmal wüsste, wie man ihn aufhalten könnte. Ist diese Person wirklich noch eine von uns? Es ist spannend zu beobachten, wie sich das Verhalten und die Psyche der einzelnen Figuren im Laufe des Bandes verändert. Die Vielschichtigkeit der einzelnen Protagonisten sorgt dafür, dass man sich als Leser sehr gut in die einzelnen Figuren hineinversatzen kann. „A God Somewhere“ ist ein erbittertes und kompromissloses Werk. Comic-Autor John Arcadi und Zeichner Peter Snejbjerg spielen mit der menschlichen Angst vor dem Unbekannten und verzichten weitestgehend auf actionreiche Passagen. So eine Superhelden-Geschichte hat man bisher wirklich äußerst selten präsentiert bekommen. Sie zeigt auf, wie die Grenzen zwischen Menschen, Helden und Monstern zunehmend zu verschwimmen drohen. Ob es den Handelnden gelingt sich ihrer selbst zu besinnen, bevor sie im Chaos versinken. Am besten du findest es selbst heraus. Es lohnt sich.
// Wir möchten euch bei der Gelegenheit auch endlich mal darauf hinweisen, dass die renommierte Krimi-Persiflage „Spoon & White“, welche anfangs noch beim „Ehapa“-Verlag erschienen ist, nun bei „Finix Comics“ unters Vordach gekrochen ist. Alle Fans von Actionfilm-Parodien sollten in diesem Zusammenhang unbedingt mal reinblättern. Der siebte Band „Manhattan Kaputt“ liest sich nämlich wie eine charmante Parodie auf Buddy-Movies der Marke „Bad Boys“ und „Lethal Weapon“. Die beiden Protagonisten sitzen gleich zu Beginn des Bandes ziemlich in der Tinte. Ein wichtiger Zeuge ist tot und das ist zu allem Überfluss auch noch ihre eigene Schuld gewesen. Also gilt es die Dinge wieder gerade zu rücken und die Verantwortlichen schnellstmöglich zur Verantwortung zu ziehen. Selbige planen nämlich ein paar Bomben in New York zu verteilen. Und das muss natürlich verhindert werden. Texter Jean Léturgie und die beiden Zeichner Simon Léturgie und Franck Isard kreieren eine spannende Atmosphäre mit zahlreichen witzigen Passagen, welche schöne Erinnerungen an die Kollegen von „Clever & Smart“ wachrufen. Die ungestümen Ermittler treten im Laufe des Buches von einem Fettnäpfchen ins Nächste und sorgen mit ihren cholerischen Attacken immer wieder für Lachkrämpfe beim Leser. Wir freuen uns deshalb jetzt schon auf den achten Band der Reihe, welcher in Kürze erscheinen soll. Für heute ist aber erst einmal Schluss. Wir sagen tschüss. Bis zum nächsten „Strichcode“.
UND WAS NUN?