// aufgelesen vol. 33 – „im prinzip war es purer zufall“

mit neuen Büchern von Felix Denk & Sven von Thülen, Ulla Lenze, Brian Greene, Shumeet Baluja & Matt Burgess. // Nach der Wende spürt man, dass es brodelt in Berlin. Die Stadt befindet sich in einem Zustand des Umbruchs und es gilt, eine neue Definition für Althergebrachtes zu finden. In diesem Zusammenhang legen zahllose Kreative […]

mit neuen Büchern von Felix Denk & Sven von Thülen, Ulla Lenze, Brian Greene, Shumeet Baluja & Matt Burgess.

denk-thulen// Nach der Wende spürt man, dass es brodelt in Berlin. Die Stadt befindet sich in einem Zustand des Umbruchs und es gilt, eine neue Definition für Althergebrachtes zu finden. In diesem Zusammenhang legen zahllose Kreative los und durchstreifen die Ruinen der Hauptstadt auf der Suche nach einem Platz zum Verweilen. Um den ehemaligen Todesstreifen herum entstehen Plätze und Orte, die einige Wochen vom Gefühl der Glückseligkeit durchflutet werden. Den beiden Autoren Felix Denk und Sven von Thülen gelingt es in ihrem Buch „Der Klang der Familie“ diese Aufbruchsstimmung einzufangen.

Das Werk dreht sich um „Berlin, Techno und die Wende“ und zeigt, wie ungenutzte Flächen von einer Subkultur vereinnahmt werden. Im Gegensatz zu „Lost & Sound“ von Tobias Rapp, welches diese Thematik ebenfalls streift, ist „Der Klang der Familie“ ein Sammelsurium an Eindrücken und Erfahrungen, die zusammen ein schlüssiges Ganzes ergeben. Die beiden Autoren bedienen sich in diesem Zusammenhang derselben Methode wie Jürgen Teipel in sein Punk / New Wave-Klassiker „Verschwende deine Jugend“. Denk und von Thülen fügen die Inhalte von 150 geführten Interviews chronologisch zusammen und sparen sich darüber hinaus jeden weiteren Kommentar. Auf diese Weise entsteht ein authentisches Bild der damaligen Ereignisse, so dass man als Leser am Ende fast das Gefühl hat, selbst dabei gewesen zu sein.

ulla-lenze// Wer sich den Rückumschlag des neuen Buches von Ulla Lenze zu Gemüte führt, der kann schon erahnen, was ihn erwartet. Ein halbseitiger, ausdrucksstarker Schlangensatz prangert da auf weißem Hintergrund und taucht die Welt um dich herum in poetisches Licht. „Der kleine Rest des Todes“ nennt sich das Werk der Musik- und Philosophiestudentin aus Mönchengladbach, die bereits zwei Romane veröffentlicht hat und hin und wieder auch für die „Zeit“, „FAZ“ und „Neue Züricher Zeitung“ aktiv ist. In ihrem Roman dreht sich alles um eine Person namens Ariane. Deren Vater stirbt bei einem Flugzeugabsturz und seitdem ist nichts mehr wie es war. Ariane kriegt einfach nichts mehr auf die Reihe. Sie kann den Tod ihres Vaters weder verarbeiten, noch akzeptieren und schleicht nur noch wie ein Schatten ihrer Selbst durchs Leben. Es ist fast so, als wäre an dem Tag seines Todes auch sie selbst aus dem Leben geschieden – nur dass ein Trugbild ihrer Person noch immer auf Erden herumwandelt. Ihren Bewusstseinszustand packt die Autorin in poetische Sätze der Marke „Der Wind trägt den Regen in Wellen heran, er scheint ihm nachzulaufen, ihn einzufangen und dann damit auf mich zuzustürzen.“ Man fühlt sich wie in einem Rausch, während man das 150 Seiten dünne Werk durchschmökert und man ist ergriffen von der Sprachgewalt der Autorin, welcher es gelingt, den trostlosen Alltag in packende Bilder zu überführen. Der wahre Schrecken schlummert nämlich wie immer im Detail. In den Dingen, die plötzlich nicht mehr sind. Im Ausbleiben bestimmter Gegebenheiten, welche für lange Zeit fester Bestandteil des eigenen Lebens gewesen sind. Wie soll sich auf diese Weise bitteschön ein geregelter Alltag einstellen? Ulla Lenze versucht mit ihrem Werk eine Antwort darauf zu finden.

brian-greene// Alle unter euch, die gern Grenzen überwinden, könnten an dem aktuellen Werk von Brian Greene Gefallen finden. „Die verborgene Wirklichkeit“ beschäftigt sich mit „Paralleluniversen“ und den „Gesetzen des Kosmos“: In dem Buch vertritt der renommierte Physiker und Bestsellerautor die Auffassung, dass wir alle Teil eines so genannten Multiversums sind. Das heißt, von unserer Erde und damit auch von uns selbst existieren zahlreiche Doppelgänger, die allerdings bisher noch außerhalb unseres Wahrnehmungsspektrums liegen. Durch seine anschauliche Schreibweise gelingt es Greene auch den interessierten Laien in diese äußerst komplexe Welt einzuführen. Der Autor schüttelt eine Metapher nach der anderen aus dem Ärmel, was einem selbst die komplizierteste Materie nahe bringt. Der Autor hangelt sich in diesem Zusammenhang an den Grenzen der Wirklichkeit entlang. Entführt den Leser in Parallelwelten, skizziert das „Inflations-, Landschafts- und Quanten-Multiversum“, erläutert die so genannte Stringtheorie, beschäftigt sich mit schwarzen Löchern und zu guter Letzt auch noch mit simulierten Multiversen (in diesem Zusammenhang ist das Buch mit Sicherheit auch für Matrix-Fans interessant). Einige Grafiken und Illustrationen helfen dabei, die spannenden Gedanken-Konstruktionen nachzuvollziehen. Und wenn man sich nach einer gewissen Eingewöhnungsphase erst mal eingefunden hat in die wunderbare Welt des Brian Greene, lässt sie einen nicht mehr los. Nach dem Lesen dieses Buches wird man einiges in Zweifel ziehen, von dem man vorher dachte, es wäre unumstößlich. Vorausgesetzt natürlich man ist bereit sich auf Greenes gewagte Theorien einzulassen.

siliconjungle// Der Chefentwickler von Google, Shumeet Baluja, hat bereits zahlreiche Beiträge zum Thema Coypright und Werbung im Internet veröffentlicht. Mit „Silicon Jungle“ legt er seinen ersten echten Roman vor und erzählt darin die Geschichte eines jungen Informatikers namens Stephen Thorpe. Der Glückspilz wurde auserkoren fortan ein Praktikum bei dem riesigen Konzern Ubatoo absolvieren zu dürfen. In diesem Zusammenhang soll er dafür sorgen, dass die entsprechende Werbebotschaft immer zielgerecht beim Nutzer ankommt. Das heiß: er personalisiert. Wobei man wissen sollte, dass Ubatoo eine gleichnamige Suchmaschine betreibt, die von Millionen von Menschen täglich genutzt wird. Natürlich kann man sich auch einen E-Mail-Account bei Ubatoo anlegen oder über die Shopping-Portale des Konzerns einkaufen. Auf diese Weise hat die Firma Zugriff auf die Vorlieben und Sehnsüchte zahlloser Individuen. Und dann klopft auch noch ein mysteriöser Datenschützer an die Tür von Stephen und bittet ihn, die Datenbanken der Firma auf Informationen abzuklopfen und daraus eine Personenliste zu erstellen. Der Autor erzählt die Geschichte des jungen Praktikanten mithilfe zahlreicher Zeitsprünge und fügt auf diese Weise Puzzleteil für Puzzleteil zusammen. Ihm gelingt es ein glaubwürdiges Szenario zu kreieren, das einem als Leser die Schattenseiten der Digitalisierung vor Augen führt. Ist es wirklich in unserem Sinne, dass unser Leben immer transparenter wird? Der Autor stellt diese Frage dadurch, dass er seinen Protagonisten mit einigen Gewissensentscheidungen konfrontiert. „Silicon Jungle“ ist ein durch und durch spannendes und vor allem zeitgemäßes Lesevergnügen.

burges// Die Geschichte „Die Prinzen von Queens“ handelt von einem Konflikt unter Brüdern: Vor einigen Jahren wurde Alfredo Batistas Bruder Tariq ins Kittchen gesperrt. Schuld daran trägt auch Alfredo, weil der im Zuge eines kriminellen Coups Panik bekommen hat. Die Zeche muss nun sein Bruder Jose prellen, der in Kürze aus dem Gefängnis entlassen werden soll. Blöderweise hat sich Alfredo aber auch noch dessen Freundin Isabel unter den Nagel gerissen. Und nicht nur das: Isabel erwartet ein Kind von ihm. Um Jose ein wenig Honig ums Maul zu schmieren und die zugegeben schwierige Situation ein bisschen zu entschärfen, entschließt sich Alfredo einen Hundekampf zu organisieren. Darüber hinaus sollen 250 Ecstasy-Pillen die Stimmung aufhellen. Selbige allerdings müssen erst noch geklaut werden. Und die Sache mit dem Hundekampf ist auch noch nicht geregelt. Also nimmt das Unheil seinen Lauf… Der 28jährige Autor Matt Burgess erzählt die Geschichte eines jungen Mannes, der sich, um größeres Unheil zu verhindern, immer tiefer in die Scheiße reitet. Sein Roman lebt von schmissigen Dialogen, die den Protagonisten ziemlich sympathisch erscheinen lassen. Die Sprache wirkt authentisch und die Geschichte ist ein gefundenes Fressen für alle, die bereits an dem Buch „Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe“ von Christian Frascella ihre helle Freude hatten. Wer mehr wissen möchte, sollte am besten selbst mal reinschauen. Es lohnt sich. Und damit Schluss für heute. Bis zum nächsten Mal.