mit neuen Büchern von David Foster Wallace, Jasmin Ramadan, Mark Z. Danielewski, Jon Ronson und Jonathan Safran Foer.
// Weil es ziemlich nervig sein kann, endlos auf die Übersetzung von bestimmten Büchern zu warten, haben wir uns entschlossen in unregelmäßigen Abständen hier auch diverse Originalausgaben zu besprechen. Im Fall von David Foster Wallace macht das schon allein deshalb Sinn, weil die Übersetzung seinen Über-Werks „Unendlicher Spa?“ wirklich eine Unendlichkeit gedauert hat. Mit „The Pale King“ ist nun vor kurzem sein letztes Werk in den Vereinigten Staaten veröffentlicht worden und es ist mehr eine Text-Kreation, als ein eigenständiges Buch. Es ist kurz gesagt: die Hinterlassenschaft von David Foster Wallace, der sich vor vier Jahren in seinem Haus erhängt haben soll.
Der Autor hatte lange Zeit an Depressionen gelitten und in seinen Werken immer wieder seine Distanz zum Alltag der Menschen deutlich gemacht. Unvergessen ist bis heute seine Abhandlung über eine Kreuzfahrtreise, die man unbedingt gelesen haben sollte. In Deutschland ist sie unter dem Namen „Schrecklich amüsant – aber in Zukunft ohne mich“ erschienen. Durch seine Beobachtungsgabe ist er mit den Jahren zu einem der wichtigsten amerikanischen Schriftsteller der Neuzeit avanciert, weshalb sein Verlust nur umso mehr schmerzt. In seinem neuen Roman dreht sich im Grunde genommen alles ums Ausfüllen einer Steuererklärung. Zumindest im übertragenen Sinne. Das Werk spielt in der amerikanischen Steuerbehörde IRS und dreht sich um die unterschiedlichsten Personen, welche dort ein und ausgehen. David Foster Wallace setzt sich mit ihren Wünschen und Hoffnungen auseinander und beschreibt, wie sie die Eintönigkeit ihres Handelns beeinflusst. Die einzelnen Kapitel sind in diesem Zusammenhang nur lose verknüpft, was aber nicht weiter stört, weil es dem Autor abermals gelingt, geschickt mit den einzelnen Blickwinkeln der Beteiligten zu spielen und den Leser so bei der Stange zu halten. Wer also nicht warten möchte, bis die langwierige Übersetzungsarbeit des Buches vollendet ist, sollte mal in der örtlichen Buchhandlung nach der Originalausgabe aus dem „Hamish Hamilton“-Verlag fragen. Es lohnt sich einen David Foster Wallace mal im Original gelesen zu haben.
// Bücher über durchgeknallte Familienverhältnisse gibt es ja schon genug. Genauso wie Serien, die das Dilemma der jeweiligen Protagonisten in diesem Zusammenhang zu umreißen versuchen (siehe als gelungenes Beispiel die Reihe „Shameless“, die sowohl in der britischen, als auch amerikanischen Variante äußerst gelungen umgesetzt worden ist). Die Hamburger Autorin Jasmin Ramadan hat sich trotzdem noch einmal des Themas angenommen und erzählt die Geschichte einer gewissen Celestine, die ihre Jugend im „hanseatischen Unterlassen-Milieu“ verbringt. Die Mutter hat sie kurz nach ihrer Geburt sitzen lassen und der Vater ist stolzer Besitzer einer Frittenbude. „Stine“ aber fühlt sich zu höherem berufen und möchte raus aus ihrem bisherigen Umfeld. Die Protagonistin des Buches möchte vor allem eins: Unabhängig sein. Bereits im Rahmen der ersten Passagen, in denen Stine erklärt wird, wie man einen Tampon benutzt, während die liebe Ramona gleichzeitig versucht eine Tiefkühltorte zu föhnen und sich noch dazu bei diesen Erklärungsversuchen einige Halswirbel verrenkt… bereits hier stellt die Autorin ihr Talent für Situationskomik unter Beweis. Davon wiederum lebt das Buch, welches im Großen und Ganzen vor Allem den Selbstfindungsprozess einer jungen Frau beschreibt. Der lockere Schreibstil der Verfasserin macht „Das Schwein unter den Fischen“ zu einem nicht äußerst amüsanten und rasanten Unterfangen. Soll heißen: das Werk ist ein wirklich gelungener „Coming Of Age“-Roman, welchen sich alle Fans von „Juno“ bis „Party Of Five“ unbedingt mal zu Gemüte führen sollten.
// Und um es gleich vorweg zu nehmen: „Only Revolutions“ ist ein Ereignis. Vielleicht erinnert sich noch jemand an Jan Brandts epischen Roman „Gegen die Welt“ aus dem vergangenen Jahr, als sich irgendwann die Geschichte in zwei Hälften teilte und der Leser parallel unterschiedliche Sichtweisen einnehmen durfte. Der New Yorker Autor Mark Z. Danielewski überführt dieses Stilmittel nun auf ein komplettes Buch und zieht den Leser damit unmittelbar in einen Sog der Emotionen. Die Geschichte dreht sich um zwei Teenager namens Sam und Hailey. Darüber hinaus wird es schon relativ schwierig den Plot in wenigen Sätzen zusammenzufassen, denn „Only Revolutions“ ist ein äußerst interpretationsfähiges Werk. Jedenfalls kurven die beiden jungen Leute quer durch die Geschichte / diverse amerikanische Städte und erzählen jeweils aus ihrer eigenen Perspektive von den unterschiedlichen Ereignissen, welche sie dabei erleben. Kein Wunder das die Übersetzungsarbeit dieses Wälzers volle sechs Jahre in Anspruch genommen hat. Ein großer Teil des Buches ist in Gedichtform verfasst und die Typografie ist ein Geniestreich. Man muss in diesem Zusammenhang jeweils nach acht Seiten das Buch um die eigene Achse drehen, um die Geschichte chronologisch nachzuvollziehen (man kann sich aber auch darüber hinwegsetzen – wodurch in diesem Zusammenhang zahlreiche weitere Deutungsansätze des Erlebten entstehen). Ansonsten dreht sich das Werk vorwiegend um die große Liebe und die Verwirklichung des amerikanischen Traums. Es thematisiert die schlimmsten und schönsten Momente eines Lebens. Warum sich die beiden Protagonisten in diesem Zusammenhang praktisch hinters Steuer jeder amerikanischen Auto-Marke setzen, bleibt ebenso interpretationsfähig, wie die eigenwillige Sprache des Romans, die treffend ins Deutsche überführt wurde. Wer von einem Roman eine Achterbahnfahrt der Emotionen erwartet, wird hier bedient. „Only Revolutions“ ist ein ganz besonderes Buch.
// Der Londoner Journalist und Radiomoderator Jon Ronson war nicht nur Kolumnist beim renommierten „Guardian“, sondern hat in der Vergangenheit auch die Vorlage zu dem wunderbaren Streifen „Männer die auf Ziegen starren“ verfasst, welcher 2010 mit George Clooney in der Hauptrolle verfilmt worden ist. Sein aktuelles Werk ist eine äußerst schräge, aber dennoch lesenswerte Angelegenheit. In „Die Psychopathen sind unter uns“ beginnt Ronson sich der Schattenseite der menschlichen Psyche anzunehmen und stößt auf Überraschendes. Er stellt fest, dass sich der Psychopath meistens hinter einer gehörigen Portion Charisma versteckt. Der Autor führt seine Leser in diesem Zusammenhang erst einmal in die psychologische Fakultät einer Londoner Universität. Als ihm irgendwann ein anerkannter Psychopathen-Test, die so genannte „PCL-R-Checkliste“, in die Hände fällt, beginnt er plötzlich sein gegenwärtiges Umfeld auf psychische Störungen abzuklopfen und stößt vor allem in elitären Kreisen auf Erstaunliches. Doch damit nicht genug: Irgendwann müssen sogar die Freunde des Autoren dran glauben. Gegen Ende fühlt man sich fast schon, als wäre der Wahnsinn in unserem Leben nahezu dauerhaft präsent – die Grenzen verschwimmen und man kommt als Leser zunehmend ins Grübeln. Wie die ganze Geschichte endet? Am besten du findest es selbst heraus. Es lohnt sich.
// Ebenfalls im der englischen Original ist inzwischen auch hierzulande das Buch „Eating Animals“ von Jonathan Safran Foer erhältlich. Das ist zwar schon eine Weile auf dem Markt, soll hier aber unbedingt Erwähnung finden. Der Autor sagt von sich selbst: „Ich liebe Würste, aber ich esse sie nicht“. Und genau das ist der Ausgangspunkt für sein Werk. Der frisch gebackene Vater setzt sich im Rahmen des Buches mit seinen Ernährungsgewohnheiten auseinander. Er stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage: Warum essen wir Tiere? Und können wir an diesem Umstand festhalten, wenn wir uns als Menschen intensiver mit ihnen beschäftigen? Der Autor macht sich auf das herauszufinden und spricht mit zahlreichen Wissenschaftlern. Sogar in diverse Tier-Farmen bricht er ein, um sich selbst ein Bild von der Situation dort zu verschaffen. Er konfrontiert die Menschen mit der Massentierhaltung und stellt sich immer wieder die Frage, ob er so etwas weiter mit seinem Gewissen vereinbaren kann. Zunehmend wird dem Protagonisten deutlich: es gibt eigentlich keine Rechtfertigung dafür Fleisch zu essen. Die bildhafte und facettenreiche Sprache des Autors machen einem nicht nur das Werk, sondern auch den Verzicht auf Fleisch schmackhaft. „Tiere essen“ ist ein smartes Buch über ein dringliches Thema. Darüber hinaus ist die Original-Ausgabe auch aufgrund ihres Layouts interessant, das immer wieder mit gängigen Konventionen bricht und den rasanten Lesefluss fördert. Womit wird dann auch schon wieder am Ende wären für heute. Bis zum nächsten Mal.
UND WAS NUN?