mit neuen Büchern von Wells Tower, Max Scharnigg, Legs McNeil & Gillian McCain, Henning Dedekind und Bas Kast.
// Wenn ein Buch mal wieder von allen Seiten mit Lobeshymnen überhäuft wird, gilt es meistens skeptisch zu sein. Das Debüt des Schriftstellers Wells Tower aus Vancouver allerdings bildet die ebenso oft bemühte Ausnahme von der Regel. Sein Werk „Alles zerstört, alles verbrannt“ ist ein auf altmodische Weise überraschend frisches und witziges Werk. Das Buch dreht sich um verschiedene Menschen, deren Leben durch scheinbare Nebensächlichkeiten nahezu vollends aus der Bahn läuft.
Um ein Beispiel herauszugreifen, erzählt er unter anderem die Geschichte einer Frau, die ihren Mann kurzerhand vor die Tür setzt, weil sie an der Scheibe des Autos einen Fußabdruck wahrnimmt. Es sind in diesem Zusammenhang nicht so sehr die eigentlichen Geschichten, welche den Leser in ihren Bann ziehen. Es ist vielmehr der Erzählstil des Autors, der sich im Rahmen seiner Stories immer sehr eng an der Realität entlanghangelt und auf diverse Ausschmückungen verzichtet. Stattdessen bekommt man die knallharte Realität vor den Latz geknallt und findet sich sofort in den Ängsten und Hoffnungen der einzelnen Akteure wieder. Es ist diese Unmittelbarkeit, die „Alles zerstört, alles verbrannt“ aus der Masse der derzeitigen „Short Story“-Sammlungen herausragen lässt. Denn in gewisser Weise erzählt der Autor hier mit jeder seiner Kurzgeschichten aus dem Leben von uns selbst.
// Und endlich ist er da, der Frühling, auch in Würzburg. Los geht sie, die Saison der traditionellen Gärtner und des „Urban Gardening“, der neuen Gartenbewegung. Diese nutzt städtische Freiflächen, wie zum Beispiel eine Verkehrsinsel oder verwendet Kisten auf Grünstreifen um Blumen, Gemüse oder Kräuter zu kultivieren. Max Scharnigg und seine Freundin suchten nach einer Alternative, um eigenes Grünzeug zu ernten, aber natürlich ohne die eigene Wohnung in Münchens Innenstadt aufgeben zu müssen. In München, wie auch in Würzburg, muss man sehr lange auf der Warteliste eines Schrebergartenvereins stehen, um an eine Gartenparzelle zu kommen. Herr Scharnigg, der SZ-Redakteur, ruft deshalb bei der Nachbarin seiner Verwandten außerhalb Münchens an, die kleinere Teile eines Feldes vermietet und bekommt glücklicherweise noch 100 Meter Acker ab. Der Autor beschreibt nun in den Kapiteln März bis Oktober, was mit dem Acker passiert und wie er und seine Freundin sich dadurch verändern. Selbst Leser, die bisher lediglich versucht haben, auf dem eigenen Balkon ein paar Kräuter zu ziehen, werden sich in vielen Beschreibungen wieder finden. Die Probleme des Autors mit zu viel Wind, zu viel Regen, zu wenig Regen oder zu wenig Sonne geben Anlass zur Schadenfreude oder zumindest zur Genugtuung, dass auch bei anderen Neueinsteigern nicht alles so blüht und grünt wie einem das der Verkäufer im Gartencenter weiß machen möchte. „Feldversuch“ beschreibt außerdem anschaulich und originell die Veränderung der Natur im Jahreswechsel und lädt dazu ein, die eigene Umwelt genauer zu erforschen. // verfasst von K. Reschke
// Der Gründer Zeitschrift „Punk“ und langjährige „Spin“-Chefredakteur Legs McNeil hat sich in der Zwischenzeit zusammen mit der Autorin Gillian McCain daran gemacht ein Portrait über die „unzensierte Geschichte des Punk“ zu entwerfen. „Please Kill Me“ erzählt in diesem Zusammenhang nicht nur die Geschichte zahlreicher Protagonisten, wie Lou Reed, Malcolm Mclaren, Iggy Pop und Television, das Werk strahlt auch eine Unmittelbarkeit aus, die vor allem darauf zurückzuführen ist, das zu Recherche-Zwecken zahllose Interviews mit den beteiligten Personen geführt wurden. Während in der Originalausgabe von 1996 noch zahlreiche Fehler schlummerten (ist ja auch irgendwie logisch: wer achtet bei einem Punk-Buch schon auf korrekte Quellenangaben), haben sich die Macher ein Jahr später dann doch dazu entschlossen, ihre gröbsten Schnitzer zu korrigieren. Das Buch selbst hangelt sich („Verschwende deine Jugend“ lässt grüßen!) anhand der Statements der einzelnen Beteiligten durch die Geschichte des Punk. Auf diese Weise fühlt man sich als Leser nicht nur in einen Sog der Emotionen gerissen, man bekommt auch ein äußerst differenziertes Bild davon präsentiert, was damals wirklich passiert ist. Dass sich manche Interviewte in diesem Zusammenhang immer wieder widersprechen, tut dem Lesefluss keinerlei Abbruch und sorgt immer wieder für ein Schmunzeln auf den Lippen des Lesers. So bleibt am Ende natürlich manches im Dunkeln, was damals wirklich passiert ist, das Buch vermittelt aber trotzdem einen umfassenden Eindruck des damaligen Geschehens. Wer auf Punkmusik steht, kommt an diesem Sammelsurium an Eindrücken und Meinungen nicht vorbei. Umso besser, dass der Band inzwischen auch auf Deutsch erschienen ist und seit vergangenen Jahr beim „Hannibal“-Verlag erhältlich ist.
// Krautrock feiert hierzulande ja immer noch so etwas wie ein Nischendasein, obwohl sich seit vielen Jahren zahlreiche renommierte Musiker aus aller Herren Länder auf den improvisationsfreudigen Sound berufen. Das Werk „Krautrock – Underground, LSD und kosmische Kuriere“ versucht sich an einem Überblick über die bunt gemischte Szene, die Ende der 60er aus dem Boden schießt. Im Rahmen des Buches finden sich nicht nur zahlreiche Gespräche mit Zeitzeugen und den Mitgliedern diverser Bands, es transportiert auch auf imposante Weise das Lebensgefühl der damaligen Generation. Das Spektrum der behandelten Bands reicht von Amon Düül bis Kraftwerk, von Ton Steine Scherben bis Neu!, von Can bis Tangerine Dream und das waren nur die bekanntesten Namen. Autor Henning Dedekind geht in diesem Zusammenhang weitestgehend chronologisch vor und erzählt die ganze Geschichte vom „Goldenen Zeitalter“ bis hin zum „Niedergang“ des Genres. Natürlich werden in diesem Zusammenhang auch die Drogen und der politische Aspekt der Musik nicht außen vor gelassen. Auf über 300 informativen Seiten bekommt man zudem zahlreiche Fotos vor den Latz geknallt, die treffend den damaligen Zeitgeist widerspiegeln. Hinterher fühlt man sich nicht nur vortrefflich unterhalten, sondern als Neueinsteiger auch dazu angeregt, sich an die musikalischen Hinterlassenschaften diverser Protagonisten der damaligen Zeit heranzuwagen: dieses Buch lohnt sich also gleich im doppelten Sinne.
// Der studierte Psycho- und Biologe Bas Kast hat sich bereits durch seine gewieften Beiträge für den „Tagesspiegel“, „Geo“ oder „Nature“ einen Namen gemacht. Jetzt beschäftigt er sich mit einem Thema, das uns alle im gewissen Maße betrifft. In seinem Buch „Ich weiß nicht, was ich wollen soll“ geht es um die Qual der Wahl. Was macht die scheinbar unerschöpfliche Palette an Möglichkeiten mit uns Menschen, die wir doch Jahrhunderte lang immer in weitestgehend (vor)gegeben Verhältnissen existiert haben. Der Autor möchte wissen, wie sich dieses „chronische Zuviel“ an Alternativen auf unsere Psyche auswirkt. Sind wir gleichzeitig zufriedener, weil wir heutzutage freier sind? Oder machen wir uns einfach nur was vor. In diesem Zusammenhang beschäftigt sich Kas genauso mit unserem Hang zum Perfektionismus, wie auch mit dem Einfluss des Geldes auf unser Handeln und Tun. Er wirft einen Blick auf das Leben und wie es immer schnelllebiger, umtriebiger und facettenreicher wird. Er führt vor Augen, wie inmitten all der Möglichkeiten, eine zwischenzeitliche Auszeit von dem ganzen Prozedere des Lebens plötzlich als erstrebenswerte Alternative erscheint. Wenn du also wissen möchtest: „Warum wir uns so schwer entscheiden können und wo das Glück zu finden ist“, dann wirf mal einen Blick in das Buch hier. Es hält ein paar interessante Denkanstöße parat. Und damit Schluss für heute. Bis zur nächsten Leserunde.
UND WAS NUN?