mit den Bänden „Abstract City“, „Noise“, „Rosa Winkel“, „Barks Onkel Dagobert“, „Barks Comics & Stories“, „Hühner, Porno, Schlägerei“ und „Freud“.
// Eine ganz andere Form der „Graphic Novel“ erscheint in diesen Tagen beim renommierten „Knesebeck“-Verlag. „Abstract City“ von dem Illustrator und Designer Christoph Niemann, der bereits zahlreiche Auszeichnungen für seine Arbeiten erhalten hat, bündelt in gewisser Weise das kreative Schaffen des Künstlers, der auch schon einige Titelseiten für die FAZ oder das Magazin der Süddeutschen Zeitung entworfen hat. In dem 256-seitigen Werk, das mit dem Untertitel „Mein Leben unterm Strich“ versehen worden ist, dreht sich alles um den Alltag des Künstlers. Um Kaffee und Cafés. Um den Haushalt und die Kunst.
Alles schön sortiert in 16 zauberhafte Kapitel, die sich jeweils einem übergeordneten Thema widmen. Das Besondere an seinem Werk ist, dass der Schöpfer in diesem Zusammenhang nicht etwa den Illustrator raushängen lässt, er skizziert vielmehr auf Servietten oder mit Legosteinen, was ihm so auf dem Herzen liegt. Auf diese Weise erfährt man nicht nur zahlreiche persönliche Dinge über die Vorlieben des Autors, man fühlt sich auch auf charmante Weise unterhalten, wenn man sich durch die Seiten wühlt und in diesem Zusammenhang auf Geschichten in Form von Landkarten oder Legosteinen trifft. So etwas, wie „Abstract City“ hat die Welt noch nicht gesehen. Ein umso größeres Anliegen ist es uns, den Charme dieses Werkes für sich selbst sprechen zu lassen. Also schnuppert mal rein. Wenn ihr euch erst mal in diesem schrägen Kosmos von Christoph Niemann eingefunden habt, gibt es kein Entkommen mehr. Schlicht herzerwärmend, dieses Werk.
// Es gibt Werke, die kannst du eigentlich kaum in Worte fassen. „Noise“ ist in diesem Zusammenhang der Versuch einer österreichischen Comic-Institution, die sich daran macht, die Grenzen des Möglichen auszuloten. Selbige Institution, namentlich Tonto, versammelt nicht nur zahlreiche Künstler und Zeichner unter einem Dach, sie war ursprünglich als Musik-Plattform gedacht, verfügt aber inzwischen seit mehr als einem Jahrzehnt auch über eine eigene Comic-Abteilung. Die Gruppe selbst hat sich in diesem Zusammenhang übrigens aus dem Duo Strobl & Kaplan herausgebildet und ist mittlerweile in ganz Europa aktiv. In dem nun vorliegenden Sammelband widmet sich das Netzwerk in surrealen Motiven den unterschiedlichsten Szenarien inklusive Alien-Kopfschüssen und Wolfsmenschen. Plötzlich taucht nicht nur Iggy Pop in Serbien auf, man blickt auch hin und wieder in ein schwarzes Loch. Der Sinn bleibt in diesem Zusammenhang dem Leser überlassen. Und genau das ist auch das Reizvolle an diesem Werk. Es ist ein einziger verquerer Augenschmaus, der einen Blick in die verstörenden Winkel des Alltags wirft, indem er das Absurde unseres Daseins in den Fokus des Geschehens rückt. Das sorgt am Ende nicht nur für erhellende Momente, man möchte hinterher am liebsten selbst zum Stift greifen und ein paar eigens gestaltete Eindrücke hinzufügen.
// Die Geschichte „Rosa Winkel“ setzt sich derweil mit einem homosexuellen jungen Mann namens Andreas auseinander, der im Berlin der 30er Jahre aufwächst. Er verdingt sich als Werbezeichner und ist ein sehr feierwütiger und romantischer Typ. Blöderweise aber kommen die Nazis an die Macht und sorgen mit ihren platten Parolen für Angst und Schrecken unter den Menschen. In den darauffolgenden Jahren werden zahllose Menschen von der „braunen Pest“ ermordet. Auch die Homosexuellen werden als eine „Gefahr für die Rasse“ angesehen und in die Konzentrationslager verschleppt. Das Buch widmet sich der Figur des Andreas in diesem Zusammenhang sehr einfühlsam und lässt einen als Leser dessen Schicksal gnadenlos nachfühlen – Selbiges wiederum geschieht in einer Art Rückblick: Der Urenkel von Andreas steht nämlich auf einmal vor dessen Tür, weil Alexandre (so der Name des Urenkels) mit einigen Freunden für die Schule ein Referat zum Thema „Nationalsozialismus“ verfassen soll. Andreas fällt es in diesem Zusammenhang sehr schwer sich zu erinnern, denn eigentlich möchte er nur eins: die ganze Sache vergessen. Am Ende erzählt er trotzdem seine Geschichte. Und so scheint es bis heute noch immer unglaublich, was damals passiert ist und man kann nur hoffen, dass so etwas nie wieder geschieht. Den drei Autoren Michel Dufranne, Milorad Vicanović & Christian Lerolle gelingt es eine glaubwürdige Geschichte zu erzählen – wobei sich der rosa Winkel, nach dem das Buch betitelt wurde, auf das Symbol bezieht, welches den Häftlingen in den Konzentrationslagern angeheftet wurde, wenn sie dort wegen Homosexualität gefangen gehalten wurden. „Rosa Winkel“ ist in diesem Zusammenhang ein äußerst grausames Werk. Aber dafür ein umso Wichtigeres.
// Nachdem wir zuletzt wieder auf den Geschmack in Sachen Entenhausen gekommen sind, möchten wir die Gelegenheit ergreifen und euch auf ein paar weitere hochwertige Veröffentlichungen aus dem Hause „Disney“ hinweisen. Neben den Geschichten um unseren herzallerliebsten Donald Duck, hat sich der renommierte Zeichner Carl Barks nämlich auch als Schöpfer der Kultfigur „Dagobert“ einen Namen gemacht. Neben Daniel Düsentrieb und Gundel Gaukeley ist Dagobert Duck in diesem Zusammenhang sicher der Charakter in Entenhausen, der neben Donald Duck die Massen am Meisten in seinen Bann zieht. Umso besser, dass nun alle klassischen Geschichten aus der Feder Barks nochmal in einer Neuauflage veröffentlicht werden, die sich als Gesamtschau ganz vorzüglich ins heimische Bücherregal stellen lässt. Im zweiten und dritten Band der Reihe sind zahlreiche Geschichten versammelt, die alle aus den Jahren 1951 bis 1955 stammen. Die vielen Jahre, welche die einzelnen Episoden bereits auf dem Buckel haben, sind vor allem deshalb so bemerkenswert, weil die einzelnen Geschichten bis heute nichts von ihrem Reiz verloren haben. Noch dazu hat man auf diese Weise die Möglichkeit, sich die zahllosen Kurzgeschichten über den alten Geizkragen noch einmal in chronologischer Reihenfolge zu Gemüte zu führen, wodurch ein sehr differenziertes Bild von Barks „Onkel Dagobert“ entsteht und auch dafür gesorgt ist, dass man keine verpasst. Viele der alten Episoden sind nämlich lediglich mit dem Titel „Onkel Dagobert“ versehen, was es für den Laien nicht gerade einfach macht, sie auf den ersten Blick auseinander zu dividieren. Übersetzt wurden die Erzählungen aus der Feder Barks allesamt von der renommierten Micky Maus-Chefredakteurin Dr. Erika Fuchs, die es gekonnt versteht, den Humor der Ducks ins Deutsche zu transferieren, ohne dass dabei der ursprüngliche Witz auf der Strecke bliebe. Selbige zeigt sich auch für die Übersetzungen im Rahmen der Reihe „Barks Comics & Stories“ verantwortlich, auf welche wir euch bereits beim letzten Mal aufmerksam gemacht hatten. Die Bände 4 bis 6 bestätigen in diesem Zusammenhang das hohe Niveau der drei Vorläufer. Man hatte ja durchaus befürchtet, dass den Machern vielleicht nach der Veröffentlichung der Einstiegsbände die Luft ausgehen würde, weil alle wichtigen Hintergrundinformationen bereits verbraten worden wären, aber nichts da. Auch im weiteren Verlauf knallen uns die Herausgeber eine amüsante Mixtur aus lustigen Donald Duck-Stories und Anekdoten vor den Latz. Für Letztere ist abermals Wolfgang J. Fuchs zuständig, der entgegen seines eigenen Namens ein sehr gutes Händchen für tollpatschige Enten an den Tag legt. Nachdem er sich noch zu Beginn seiner Karriere einen klassischen Einsteigerfehler leistete, indem er den Namen Barks kurzerhand zu „Barx“ modifizierte, hat er sich inzwischen einen Namen als ausgewiesener Experte gemacht. Durch seine Texte erhält man als Leser nicht nur einen guten Einblick hinter die Kulissen von Entenhausen, man wird auch mit zahlreichen Informationen über die musikalischen Vorlieben der Ducks und Donalds Schulpolizisten-Geschichte im Trickfilm versorgt. Daneben aber finden sich natürlich auch wieder eine jede Menge Geschichten aus der Feder Barks, die sich in kurzen amüsanten Episoden mit dem Leben von Donald Duck und dessen drei Neffen auseinander setzen. Selbige stammen allesamt aus den Jahren 1947 bis 1951 und dienten vielen Autoren bis heute als Vorlage für die liebenswerten Charaktere. Wer in diesem Zusammenhang Wert auf Vollständigkeit legt, wird genauso versorgt, wie all jene, die einfach mal wieder so richtig schön in Schmunzeln geraten möchten. Wenn das so weitergeht, müssen sich die Fans bald ein paar neue Bücherregale ins Wohnzimmer stellen. Denn so viel sei gesagt: die beiden Reihen „Barks Comics & Stories“ und „Onkel Dagobert“ sind noch lange nicht zu Ende.
// Die Geschichte des typisch deutschen Dorfes Nierderböhna wird im Rahmen der Graphic Novel „Hühner, Porno, Schlägerei“ rückvollzogen. In dem fiktiven Ort steht das Leben tagsüber weitestgehend still. Schließlich muss ja irgendwie Geld verdient werden und da die Landwirtschaft nicht mehr allzu viel abwirft, heißt das für die meisten Dorfbewohner: auf in die Stadt. Dort wird malocht bis die Sonne hinterm Firmament versinkt. Abends wird dann den unterschiedlichsten Vorlieben gefrönt. Und es ist äußerst bemerkenswert, wie schonungslos die Schöpferin Sophia Martineck hier am äußeren Antlitz der Dorfgemeinschaft kratzt. Was nach außen hin ziemlich idyllisch anmutet, funktioniert nur deshalb so reibungslos, weil zahlreiche Leichen in den Kellern der Anwohner versteckt wurden. Der Autorin aber genügt es nicht, das schicke neue Hoftor eines Gemeindemitglieds zu skizzieren, Sophia Martineck blickt dahin, wo es weh tut. Sie legt den Finger in die Wunde der einzelnen Protagonisten und orientiert sich dabei an den Geschichten aus zahlreichen Lokalblättern, die alltäglich von den absurdesten Begebenheiten berichten. Die Autorin widersteht in diesem Zusammenhang der Versuchung, die einzelnen Geschichten unnötig aufzublasen. Das Unheil schleicht sich stattdessen zwischen die Zeilen heran und reißt den Menschen ihre funkelnde Maske vom Gesicht. Wer sich mal wieder ein wirklich gelungenes Werk über die Verlogenheit unserer Gesellschaft und die Widersprüchlichkeit menschlicher Moralvorstellungen zu Gemüte führen möchte, sollte unbedingt mal reinlesen.
// Über Sigmund „Freud“ wurde in der Vergangenheit schon mehr als genug geschrieben. Ein „Graphic Novel“ über das Dasein des Künstlers steht nun auch endlich in den Regalen und entpuppt sich als echter Glücksgriff für jeden Psychoanalyse-Interessierten. In dem Werk der studierten Psychologin Corinne Maier („Die Entdeckung der Faulheit“) und der Illustratorin Anne Simon wird nämlich nicht nur die Geschichte seines Schaffens durchdekliniert, sondern auch ein Blick hinter die Kulissen geworfen. Wer war dieser Mann, der uns einst vom so genannten „Ödipus-Komplex“ berichtete. Die beiden Autorinnen widmen sich dem Menschen Freud auf äußerst gelungene Weise. In ihrem Werk verwenden sie vorwiegend die Ich-Form und nehmen den Leser auf diese Weise an die Hand, um ihn an die unterschiedlichsten Stationen in Freuds Leben heranzuführen. Die Lebensgeschichte selbst wurde in diesem Zusammenhang mit einer gehörigen Portion Humor ausstaffiert, was immer wieder dazu führt, dass man als Leser aus dem Grinsen gar nicht mehr herauskommt. Es ist vor allem die Leichtigkeit, die dieses Werk so bemerkenswert macht. Dadurch wird nämlich der Größenwahn des Protagonisten immer wieder auf grandiose Weise mit einem Schuss Ironie gekontert. Wenn also jemand wissen möchte, warum Freud bis heute unter uns weilt, obwohl er doch eigentlich 1939 in London gestorben ist, möge er bitte zu diesem Buch greifen. Es lohnt sich. Und damit Schluss für heute. Bis zum nächsten Strichcode.
UND WAS NUN?