mit neuen Büchern von David Foster Wallace, Roman Halfmann, Paul Auster, Stefan Rieger und Klaus Ungerer.
// Dass David Foster Wallace inzwischen nicht mehr unter uns weilt, ist eine Tragödie. Das wird immer wieder besonders deutlich, wenn Texte und Geschichten aus seiner Feder posthuman veröffentlicht werden. „Das hier ist Wasser / This Is Water“ ist in diesem Zusammenhang ein ganz besonderer Fall. Das 60-seitige Büchlein beinhaltet nämlich gar keine Geschichte des Autors, sondern eine Abschlussrede (in Original und als Übersetzung), die David Foster Wallace anno 2005 vor Absolventen des Kenyon College gehalten hat. Das Besondere an „Das hier ist Wasser“ ist, dass es die einzige Rede gewesen ist, die der Autor jemals in diesem Zusammenhang gehalten hat.
Umso mehr haben es seine nun vorliegenden Zeilen in sich. Im Grunde genommen schreibt der Autor darüber, was es bedeutet, erwachsen zu werden. Er umreißt, was es heißt, ein denkendes Wesen zu sein. Und er plädiert an die Empfindsamkeit der vor ihm sitzenden Absolventen. Es spiegelt sich viel Pessimismus in seinen Worten wieder, was sicher auch der langjährigen Depression des Autors geschuldet ist. Dennoch macht er am Ende vor allem eine Sache deutlich: alles hat zwei Seiten, Nichts ist wie es scheint und es ist deshalb nur umso wichtiger, die Dinge fortwährend auf ihren wahren Gehalt abzuklopfen.
// Der Literaturwissenschaftler Roman Halfmann widmet sich in seinem aktuellen Werk einer Welt, die sich zunehmend hinter dem Schleier des Ironischen versteckt. In seinem Buch „Nach der Ironie“ wirft er die Frage auf, ob es heutzutage überhaupt noch so etwas wie authentische Kunst gibt, wenn doch alles irgendwie ironisch gebrochen zu sein scheint. In diesem Zusammenhang schnappt er sich nicht nur den aktuellen (übrigens äußerst lesenswerten, aber bislang leider noch nicht ins Deutsche übersetzten) Roman „The Pale King“ von David Foster Wallace und legt unter anderem dessen Bezüge auf das breite Schaffen von Franz Kafka offen. In diesem Zusammenhang zitiert er nicht nur zahlreiche Passagen aus dem Roman des inzwischen leider verstorbenen Autors, Halfmann geht auch im weiteren Verlauf sehr wissenschaftlich an die ganze Geschichte heran. Das wiederum unterstreicht am Ende allerdings nur umso mehr, mit welcher Ernsthaftigkeit er sich dem Thema zu widmen gedenkt und macht seine Schlussfolgerungen in diesem Zusammenhang nicht minder interessant. Man muss lediglich bereit sein, sich in dieses Buch hineinzuarbeiten und schon wird man mit einer interessanten Abhandlung über „David Foster Wallace, Franz Kafka und de(n) Kampf um Authentizität“ belohnt. Wer sich also gerne mit Literatur über Literatur auseinander setzt, sollte unbedingt mal reinschnuppern. Es lohnt sich.
// Der Bestseller-Autor Paul Auster hat in der Zwischenzeit auch mal wieder ein neues Pferd im Stall. Es hört auf den Namen „Sunset Park“ und dreht sich im ersten Kapitel um einen 28jährigen namens Miles Heller, der im Affekt seinen Stiefbruder auf die Straße schubst und fortan nicht mehr ins Leben zurückfindet. Das Dasein des Protagonisten scheint ein einziger Spießrutenlauf zu sein. Miles Heller ist auf der Flucht – vor sich, vor seiner Familie – vor dem Leben selbst. Die Geschichte von Miles ist allerdings nur eine von vielen, die Paul Auster in seinem Roman umreißt. Im weiteren Verlauf beschreibt er unter anderem, wie den Menschen in einem, vom Kapitalismus befeuerten, Rauschzustand zunehmend der Blick fürs Wesentliche abhandenkommt. Viele von seinen Figuren vermitteln den Eindruck von Getriebenen, die zunehmend an den an sie herangetragenen Erwartungen zerbrechen. Also ziehen sie sich zurück, wechseln ständig den Freundeskreis und fliehen vor allem, was noch irgendwie von Bedeutung sein könnte. Auster stellt das Geschehen in diesem Zusammenhang in den Kontext der Weltwirtschaftskrise von 2008, weshalb man seinen Roman durchaus auch als gesellschaftskritisches Statement auffassen darf. Es lohnt sich also durchaus mal reinzuschnuppern. Dem amerikanischen Autor gelingt es nämlich die Ohnmacht vieler Menschen in eine packende Geschichte zu verpacken. „Sunset Park“ ist in diesem Zusammenhang auch eine Mahnung – vor allem aber äußerst spannend zu lesen.
// „Multitasking“ will gelernt sein – wer heute nicht mindestens drei Dinge gleichzeitig erledigen kann, bleibt fortwährend auf der Strecke. Der Autor Stefan Rieger, der an der Ruhr-Universität Bochum Mediengeschichte unterrichtet, widmet sich dem Thema in seinem gleichnamigen Werk, das sich mit der oft als „Schlüsselkompetenz“ vorausgesetzten Fähigkeit differenziert auseinander setzt. Der Autor gibt in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass man durch die Allgegenwärtigkeit des Phänomens „Multitasking“ im persönlichen Alltag (wenn man zum Beispiel beim Fernsehen Zeitung liest, gleichzeitig einen Kaffee schlürft und auch noch die neuesten E-Mails auf dem Smartphone abruft), fast vollständig vergisst, sich die Folgen dieser persönlichen „Spaltung“ etwas genauer anzusehen. So gilt es in unserer modernen Zeit zunehmend Entschleunigungs-Strategien zu entwickeln, welche dazu führen, dass man nicht irgendwann einer so genannten „multi-tasking craziness“ erliegt. Zunehmend gilt es für den Menschen zu entscheiden, wie man das Wichtige vom Unwichtigen trennt, um nicht im Wust des ständig Verfügbaren zu ertrinken. Auf knappen 120 Seiten widmet sich der Autor seinem Thema in leicht verständlicher Sprache, was dazu führt, dass man im Laufe der Lektüre immer wieder über die eigenen Verhaltensweisen nachdenkt.
// Über viele Jahre hinweg hat der Lübecker Autor Klaus Ungerer für die „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ die unterschiedlichsten Strafgerichtsprozesse beobachtet. Was er dabei so alles zu hören bekam, erscheint nun in gebündelter Form in seinem Werk „Was weiss der Richter von der Liebe?“, das in diesen Tagen beim „Tropen“-Verlag erscheint. „24 Straffälle aus dem wahren Leben“ haben es am Ende in das 140-Seiten-schmale Werk geschafft und die haben es in sich. Ungerer erzählt von denjenigen, die nicht von den Fangnetzen des Systems ergattert wurden und so schlagen die einzelnen Angeklagten nur umso härter auf dem Boden der Tatsachen auf. Dabei gelingt es dem Autor den einzelnen Fällen (so tragisch sie auch sind) immer einen humoristischen Aspekt abzugewinnen, was auch seinen Lesern das eine oder andere Lächeln aufs Gesicht zaubern sollte. Kapitel-Titel wie „Pinguine im Sinkflug“ und die „Selbschtmordvariante“ geben in diesem Zusammenhang bereits die Richtung vor und so kommen seine Leser fortwährend in den Genuss der absurdesten Szenarien, die man sich nur vorstellen kann. Aus seinen besten Beiträgen für Ungerers F.A.Z.-Kolumne entsteht so eine locker-flockige Sommer-Lektüre , die auf einem äußerst tragischen Unterbau fußt. Gerade daraus aber zieht das Buch seinen Reiz. Also schnuppert mal rein. Und damit Schluss für heute. Bis zur nächsten Leserunde.
UND WAS NUN?