mit Büchern von Marc Fischer, E.L. James, J.D. Salinger und Marc Deckert.
// In seinem aktuellen Werk „Die Sache mit dem Ich“ macht der leider im vergangenen Jahr verstorbene Marc Fischer genau das, was Benjamin von Stuckrad-Barre schon vor geraumer Zeit durchexerziere. Er verwandelt das Alltägliche in etwas Besonderes. Bereits vor seinem Tod hatte er beschlossen, diese Geschichten im kompakten Buchumschlag zu veröffentlichen und obwohl thematisch kein roter Faden zwischen den einzelnen Beiträgen erkennbar ist, das Ganze funktioniert doch überraschend gut. In seinen Reportagen über die Beastie Boys und David Lynch blickt er hinter die Kulissen des Pop-Geschäfts und nähert sich sogar dem Thema „Transzendentale Meditation“ an.
Darüber hinaus kann man sagen, dass nahezu allen seinen Reportagen etwas Zeitloses innewohnt. Das liegt vor allem daran, dass Marc Fischer zu allererst eine Geschichte erzählen möchte. Jedenfalls geben sich nur wenige seiner Abhandlungen als traditionelle Reportagen zu erkennen. Vielmehr streift hier ein Suchender durch die (popkulturelle) Landschaft und ist dabei nicht etwa auf der Suche nach der nächsten, grellen Überschrift, sondern nach den Hintergründen des Geschehens. So führt ihn sein Weg nicht nur nach Tokyo und Nairobi, sondern auch zu Politikern und Popstars aller Couleur. Das Besondere an seinen Reportagen ist, dass sie nicht nur an der Oberfläche kratzen, sondern wirklich ein nachvollziehbares Bild der einzelnen Charaktere zeichnen. Und so können wie „Die Sache mit dem Ich“ allen Lesern nur wärmsten ans Herz legen, auch wenn einige der darin veröffentlichten Geschichten bereits ein paar Jahre auf dem Buckel haben.
// Kontrovers diskutiert wird derzeit über den Mega-Seller „Shades Of Grey“, welcher nun auch hierzulande in den Regalen steht. Das Buch aus der Feder von Autorin E. L. James ist vor allem deshalb so aufsehenerregend, weil sich darin eine 21jährige Literaturstudentin einem Unternehmer in Liebesdingen unterwirft. Da dachten wir gerade noch, es gäbe nach all den Marilyn Mansons da draußen nicht mehr, über das man noch intensiv diskutieren könnte und dann gelingt es ausgerechnet diesem Roman, uns eines Besseren zu belehren. Der erste Band namens „Geheimes Verlangen“ ist in diesem Zusammenhang zwar kein literarisches Meisterstück, dafür aber gespickt mit zahlreichen, expliziten Details, die wir hier natürlich nicht verraten möchten, um dem geneigten Leser die Vorfreude nicht zu verderben. Die britische Autorin hat sich mit ihren sexuell angehauchten Zeilen nicht nur einen kleinen australischen Verlag geangelt, das Buch entwickelte sich anschließend durch reine Mundpropaganda zu einem echten Kassenschlager. Noch dazu wird es vorwiegend von Frauen gelesen, was zahlreiche renommierte Magazine und Zeitungen zu der Frage verleitete, warum ausgerechnet eine Frau ein solches Buch interessant finden sollte. Dahinter steckt natürlich die Frage… darf man das? Sich in der heutigen Zeit als emanzipierte Frau voll und ganz einem Mann unterwerfen. Selbige muss am Ende jeder für sich selbst beantworten und so kann man Miss James zumindest zu Gute halten, dass sie mit ihrem Roman eine breitenwirksame Diskussion angeregt hat. Stellt sich am Ende eigentlich nur die Frage: Hat eigentlich schon jemand Charlotte Roche gefragt, was sie von dem Werk hält? Das wäre doch wirklich mal interessant zu wissen.
// Eine gelungene Neu-Übersetzung des Klassikers „Neun Erzählungen“ von J.D. Salinger erscheint in diesen Tagen beim Verlag „Kiepenheuer & Witsch“. Das Werk setzt sich, wie der Titel es schon andeutet, mit dem literarischen Schaffen Salingers zwischen seinem Welterfolg „Der Fänger im Roggen“ und dem Roman „Franny & Zooey“ auseinander. Viele der Geschichten wurden im renommierten „New Yorker“ veröffentlicht und anschließend noch einmal gebündelt auf den Markt geworfen. Im Rahmen der einzelnen Erzählungen greift Salinger die zunehmende Unsicherheit auf, welche vom amerikanischen Lebensstil geschickt überdeckt werden soll. Gleich in der ersten Story mit dem Titel „Ein herrlicher Tag für Bananenfisch“ macht Salinger mit einem bitterbösen Finale deutlich, worauf er hinaus möchte. Er lässt den Protagonisten hinter die Kulissen eines „normalen Lebens“ blicken, was bei Selbigem letztlich zu dem Schluss führt, dass es nichts wirklich lebens- oder (noch besser) liebenswertes für ihn auf dieser Welt gibt. Also erschießt er sich während der Flitterwochen im Hotelzimmer, während seine Frau schläft. Er scheitert in diesem Zusammenhang nicht etwa an den Erwartungen, die an ihn gestellt werden, sondern an den Veränderungen, die sich seit seiner Kindheit ergeben haben. Der Protagonist hat verlernt die Welt mit den Augen eines Kindes zu sehen und als ihm das während eines Gesprächs mit einem kleinen Mädchen am Strand klar wird, wählt er den letzten Ausweg. Die weiteren acht Stories in dem Werk bewegen sich übrigens auf ähnlichem Terrain. Salinger knallt seinen Lesern ebenso erbarmungslose wie brillante Sätze vor den Latz. „Neun Erzählungen“ ist somit das perfekte Werk für Salinger-Einsteiger, die sich nochmal etwas eingehender mit dem Schaffen des Künstlers auseinander setzen möchten.
// Alle, die sich im vergangenen Jahr vorzüglich amüsiert haben, als sie sich den Roman „Tschick“ zu Gemüte führten, sollten währenddessen mal darüber nachdenken, ob sie sich nicht vielleicht passend zum Sommerurlaub das aktuelle Werk von Marc Deckert als literarische Kostbarkeit in die Reisetasche packen. Das Buch mit dem etwas extravaganten Titel „Die Kometenjäger“ dreht sich um zwei junge Männer, die ein ausgeprägtes Faible für Astronomie an den Tag legen. So machen sich der wankelmütige Philipp und der Sternen-Experte Tom auf die Reise, um sich einen perfekten Blick auf den Himmel zu sichern. Natürlich muss es dabei auch entsprechend dunkel sein, was sie von Süddeutschland bis nach Kalifornien führt. Auf ihrer Reise begegnen sie zahlreichen Gleichgesinnten und lernen dabei nicht nur sehr viel über das Leben, sondern auch über sich selbst. Am Ziel angekommen, sind sie schließlich nicht mehr dieselben und es macht einen Riesenspaß ihnen bei ihrer verrückten Reise über die Schulter zu schauen. Marc Deckert, der auch für das „Neon“-Magazin und die Süddeutsche Zeitung schreibt, versteht es sehr gekonnt, die Wünsche und Sehnsüchte der beiden Suchenden auf Papier zu bringen. Und so reißt man einfach eine Runde mit und fragt sich immer wieder, ob es wohl etwas Schöneres gibt, als einen Reise-Roman auf einer Reise zu genießen.Und damit Schluss für heute. Bis zum nächsten Mal.
UND WAS NUN?