mit dem für den Buchpreis nominierten Werk „Nostalgia“ von André Kubiczek.
// „Nostalgia“ von André Kubiczek, das in diesem Jahr für den Deutschen Buchpreis nominiert wurde, hat uns tief berührt und irgendwie auch total überrascht. Denn Kubiczek?! Er bewegt sich abseits der alteingesessenen Pfade, er geht einen ganz anderen Weg. Zunächst einmal die Geschichte: Sie beginnt mit Teo, einer jungen Laotin, die 1968 aus Liebe in die DDR kommt. Diese Vorstellung – jemand verlässt sein Heimatland, um im sozialistischen Paradies der DDR anzukommen – ist schonmal ein spannender Ausgangspunkt. Aber schon von Anfang an spürt man, wie schwer es ist, in dieser scheinbar so offenen und solidarischen Gesellschaft wirklich anzukommen, besonders als Frau aus Asien. Teo kämpft nicht nur mit der Sprache, sondern auch mit der Fremdheit, die ihr jeden Tag entgegenschlägt. Das Bild, das Kubiczek hier zeichnet, ist so vielschichtig und so ganz anders, als man es sonst kennt: die DDR nicht nur als Land der grauen Fassaden und strengen Regeln, sondern als ein Raum, in dem auch tiefes, alltägliches Fremdsein existiert.
Und dann André, Teos Sohn, den wir 1982 als 12-Jährigen kennenlernen. Für ihn ist die DDR eigentlich sein Zuhause, aber gleichzeitig fühlt er sich nie wirklich zugehörig. Sein Alltag ist geprägt von der Suche nach Normalität, die ihm jedoch ständig entgleitet. André wünscht sich nichts sehnlicher, als in der Schule nicht aufzufallen, einfach nur durchzukommen, ohne ständig das Gefühl zu haben, irgendwie „anders“ zu sein. Und ja, wer kennt dieses Gefühl nicht? Diese Mischung aus Angst und dem Drang, sich anzupassen, zieht sich wie ein roter Faden durch Andrés Leben. Und dann die schwierige familiäre Situation – eine kranke Mutter, ein jüngerer Bruder mit Behinderung – all das macht sein Aufwachsen nicht gerade einfacher. Was mich aber wirklich an diesem Buch beeindruckt hat, ist die Wärme, mit der Kubiczek diese Geschichte erzählt. Er urteilt nicht, er verklärt nichts. Es ist nicht dieser typische DDR-Nostalgie-Roman, in dem entweder alles furchtbar oder alles irgendwie besser war. Vielmehr zeigt er, wie kompliziert das Leben in der DDR für eine binationale Familie war, ohne in Schwarz-Weiß-Malerei zu verfallen. Besonders Teos innerer Kampf, ihre Zerrissenheit zwischen der Liebe zu ihrer Familie und der Einsamkeit in einem Land, das sie nie ganz akzeptiert hat, hat uns tief bewegt. Kubiczek gelingt es, die komplexen Themen Fremdsein, Zugehörigkeit und kulturelle Identität so feinfühlig zu behandeln, dass man das Buch kaum aus der Hand legen kann. Dabei gibt es keine großen politischen Lektionen, keinen erhobenen Zeigefinger. Vielmehr spürt man beim Lesen diese leise Melancholie, die fast unmerklich von Seite zu Seite stärker wird. Das ist das wahre Talent von Kubiczek: Er erzählt so nah an seinen Figuren, dass man gar nicht merkt, wie tief einen die Geschichte trifft, bis man plötzlich innehalten muss. Und vielleicht ist es auch das, was „Nostalgia“ so besonders macht. Es ist ein sehr persönliches Buch, nicht nur für Kubiczek selbst, der seine eigene Beziehung zur Mutter hier verarbeitet, sondern auch für jeden von uns, der sich irgendwann mal fremd gefühlt hat – sei es in einem anderen Land, in einer Schule oder sogar in der eigenen Familie. Für uns ist „Nostalgia“ ein echtes Highlight dieses Jahres. Ein Buch, das nicht nur die Vergangenheit erzählt, sondern auch tief in die Gegenwart hineinreicht. Ein Buch über Liebe, Verlust, Heimat – und darüber, wie man manchmal nirgends wirklich dazugehört. Absolute Leseempfehlung!
UND WAS NUN?